Dienstag, 27. Januar 2009

Typisch:

Das passiert einem normalen Berliner einmal in zehn Jahren. Wirklich. Hunde, deren Haufen und die Besitzer findet er häufig durchaus lästig, aber selten läuft er Slalom, noch seltener läuft er gegen Laternen infolge in-Haufen-treten-Vermeidung und noch viel seltener tritt er trotzdem hinein.

heute hoher besuch:

- der Chefneurologe von Mara/Epilepsiezentrum Bethel schenkte uns seine vermutlich kostbare Zeit, um "unter Kollegen" was über Magnetresonanztomographie zu erzählen. Was ihn mir sofort sympathisch machte, war seine ungespielte, vielleicht sogar ungewollte Juvenilität sowie die ungezwungene Art, sehr adressatenorientiert, sehr unarrogant fachwissentlich über MRT-Bildgebung und Neuroanatomie zu erzählen. Als Einstieg wählte er sehr gelungen eine Art heiteres Strukturenraten (da steh ich ja voll drauf!), und das ist auf MRT-Bildern mal eine andere Hausnummer als auf den hervorragenden Abbildungen in Gehirn und Verhalten. Da in Mara naturgemäß Epilepsiepatienten operiert werden, die eher Temporallappenepilepsie haben (weil das gleichzeitig die lokal eingrenzbare Epilepsie ist, die medikamentenresistent ist) und dann allermeistens der Hippocamous und/oder die Amygdala dran glauben müssen (Gedächtnis, Emotionen), kennt sich der Experte natürlich vor allem und ganz ausgiebig mit dem Hippocampus aus - das ist so ein kleines, geringeltes Dingelchen am Rande des Temporallappens, gar kein richtiger Cortex, weil nur 3-5schichtig, besteht aber aus dicht oder locker gepackten Neuronen und allerlei Untereinheiten, und, Freunde, ich habe da nur eine winzige graue eingerollte Wurst gesehen. Der Neurologe sieht da aber allerhand und erzählt vor gebildeten Laien darüber, als hätte er gestern ein schönes Auto gesehen. Nein, als würde er sich an die Formel herantasten, mit der man das geheime Wissen der Frauen wird entschlüsseln können. Und gleichzeitig, obwohl wir teils irrtümlich als Experten betitelten Zuhörer nicht mal das frontale Operculum zweifelsfrei identifizieren konnten, schafft er es so dermaßen unarrogant, seine neuroanatomischen Perle vor unsere psychologischen Säue zu werfen, daß man an die alten Gräben zwischen Ärzten und Psychologen wiedermal so recht nicht glauben kann. Inzwischen gibt es wahrscheinlich weniger Standesdünkel und mehr Pragmatismus bei den Ärzten, die in entsprechenden Bereichen das Wissen und Können von Psychologen durchaus zu wissen schätzen. Jedenfalls endlich wieder eine sehr schöne, wissenserweiternde und über pures Fachwissen hinausgehende Erfahrung darüber, daß Denken mit Vorwissen echt Spaß macht.

Sonntag, 25. Januar 2009

... und weiter gehts -

Schön, was man alles so für Leute kennt - approbierte und/oder promovierte Psychologen beiderlei Geschlechts zum Beispiel, mit denen man möglicherweise Mahlzeiten einnimmt und ständig denken muß/kann Auweia, jetzt sitze ich mit approbierten und/oder promovierten Tanten und/oder Onkels beim Essen, und alle, die uns sehen, wissen das gar nicht. Die denken, wir sind alberne und/oder angekicherte Studentinnen oder H&M-Verkäuferinnen. Einer von diesen Verrückten hat sich ja unlängst berufen lassen, was vor allem eine kilometerlange Email-Signatur zur Folge hat, in der die Begriffe Professor und Direktor eine große Rolle spielen. Demnächst werde ich wohl für ein paar Tage nach Duisburg reisen, um Hilfskräfte einzuarbeiten. Das finde ich sehr schön, denn erstens weiß ich gerne, wie es bei Leuten, die ich mag, aussieht, zweitens kann ich endlich der viel zu kleinen Sammlung Städte in Deutschland, die ich persönlich kenne, eine weitere hinzufügen, und drittens wird es wohl nicht schaden, sich vor Ort mal ein wenig umzutun.

So, die Charité will mich. Oder, anders ausgedrückt, dank der offenbar großartigen und verdienten Reputation des Blogbruders wird mir der Praktikumsplatz bei der einzigen echten klinischen Neuropsychologin der Neurologischen Klinik quasi hinterhergeworfen. Bloß der Wunschtermin geht nimmer, also wird das Praktikum doch eher den Ausklang des Studiums begleiten. Die Schlinge wird enger. Anders als im Vordiplom, wo es ja letztendlich immer schnuppe war, was rauskommt, will jetzt schon genau überlegt sein, was man wann macht, vor allem, wo das meiste ungeliebter Tinnef ist, wie sich heute beim ersten (noch!) keuschen Blick ins Päpsy-Buch zeigte - blabla, Unterrichtsformen, Forschungsmethoden, Intelligenz usw. Bäh! Das Buch richtet sich DIREKT an werdende Lehrer *schüttel* also, Zeit läuft. Morgen geh ich zum Prüfer, Spezialthema besprechen, und ich hoffe, mein Plan geht auf: cooles Spezialthema = Glaubhaftigkeitsgutachten/Familienrecht = Vernachlässigung des langweiligen blablas.

Mehr Informationen gibts erstmal nicht. Es gibt so unglaublich viel zu tun - Poster... Referat kommt noch eines... arbeiten... PRIVATLEBEN... ooh, der gameboy ;-) das Buch die Musik die Freundin und die Schwester... Leute, hier ist was los. Gottlob ist das keine auch noch aufregende Stadt, da kriegte ich Herzkreislauf. Aber Hallo.

spät, aber ich wurde angehalten

endlich wieder was zu schreiben, also los.

Heute also ein epileptischer Anfall direkt an der Kasse, in seiner Bedeutungslosigkeit sicherlich sehr typisch. Jemand wird sehr sicher sehr bald umkippen, und niemand ist ohne direkte Ansprache in der Lage, denjenigen aufzufangen. Dann wird aber sehr schnell Aktionismus in Form stabiler Seitenlage, Cola und Beine-hoch entwickelt, selbst nachdem relativ kompetente Personen, darunter der Betroffene selbst, die Unnotwendigkeit solcherartiger Schritte verkündet haben. Die Erwähnung des Wortes "Epilepsie" löst gleichsam eine Sekundärstarre aus, innerhalb derer nicht mehr vernünftig reagiert werden kann: Epilepsie=ganz schlimm=Notarzt=egal was andere sagen.

Schnell den Rest erzählen, bevor Müdigkeit einen zwingt, das Schreiben abzubrechen:

Für Päpsy angemeldet.
Haufenweise, gutscheineinlösend Zeug bei amazon&thalia bestellt.
Poster unterstützt.
Die Prinzessin verfügt nicht nur a) über einen Oldtimer-Gameboy, auf dem ich immer beeindruckendere Ergebnisse im Supermarioland absolviere,
nein, auch b) über eine Wii, wo man hervorragend mit entsprechenden Fernbedienungen MarioKart spielen kann, und da bin ich AUCH schon ziemlich gut drin, und Spaß macht es auch noch.
Neulich habe ich erstmals in meinem Leben nach zehn Minuten einen Film abbrechen lassen, weil ich es überhaupt nicht aushaltbar fand. Ich bin wohl kaum ein Filmtyp, was auch immer einen dafür qualifizieren mag.

Muß Musik hören.

Donnerstag, 15. Januar 2009

Kurze Zusammenfassung:

1. Allgemeine Info: Nach zwei Jahren hat das via-Blog-Informationsbedürfnis evtl. nachgelassen, zusätzlich ist der informationenfreisetzende Freizeitanteil inzwischen stark gesunken.

2. Obwohl der eher größere Teil des Hauptstudiums und vor allem die damit assoziierten Prüfungen noch vor mir liegen, fühle ich mich wie "fast fertig" und plane entsprechend.

3. Ich will mich ja in meinem Praktikum der klinischen Neuropsychologie widmen. Da ich mich gleichzeitig gerne meiner Heimatstadt widmen möchte, zumal es so gar nicht ausgemacht ist, daß ich nach dem Studium dorthin zurückgehen kann, habe ich mich, auf entsprechende Empfehlungen hin, in der Charité beworben, wo ich mit offenen Armen empfangen werde, bloß der Wunschtermin geht nicht. So kommt es, daß ich mein Reststudium nochmal neu umstrukturiert habe und im Herbst geh, nicht ohne vorher die Prüfung in klinischer Psychologie zu machen.

4. D.h. am Ende des Jahres bin ich WIRKLICH fast fertig.

5. Unfaßbar.

6. Was wurde alles nicht berichtet: Das Empiriepraktikum hat jetzt Daten eingegeben und rechnet fleißig. Wie immer gibt es mannigfaltige Enttäuschungen infolge Unsignifikanzen. Meine private Erkenntnis aus diesem Empiriepraktikum (zitiere sehr wörtlich den Chef): Studierende sind manchmal seltsam. Alles, was einem an Bedenken kommt, egal WIE unsinnig sie einem erscheinen mögen, solle man sofort als Bedenken äußern. Lieber einmal zuviel, als daß man sich hinterher ärgert.

7. Meine inzwischen nicht mehr arbeitgebende Arbeitseinheit hat vorgestern endlich die längst fällige Weihnachtsfeier veranstaltet. Das war komisch: Im letzten Jahr (also streng: vorletztes Jahr) war ich noch so neu, so aufgeregt, so gehemmt, daß ich von dem großen Privileg ungezwungenes Zusammensein buchstäblich nichts hatte. Nun wars so, daß es so, wie es war, sicherlich nicht mehr sein wird. Bei der nächsten Weihnachtsfeier könnt' es gut sein, daß die meisten Leute nicht mehr dabeisind. Aber egal: Nichtschwimmer, leckeres Essen und Rotwein, und HJM erzählt ungezwungen Anekdoten aus aller Welt. (Ich übertreibe nicht. Wirklich aus aller Welt.) Später kramt der Neuprofessor ganz zufällig das Weihnachtsgeschenk iPhone heraus, das dann natürlich für eine Reihe Demonstrationen neuer technischer Errungenschaften herhalten muß. Zentral dabei der permanent mögliche eMail-Abruf. (Man kann es sich schönreden, vermutlich. Bei meinem eigenen Telephon nervt mich schon die Akkuleistung, wenn man es dafür benutzt, wofür man es eigentlich hat: zum telephonieren.)

8. Ich habe IMMER NOCH NICHT mit der Päpsy-Prüfung angefangen, und das nicht nur due to Ohrenentzündung (weiter unten). Der Plan 2010 sieht ja super aus, aber es braucht nicht energischer, entschlossener und williger Personen, die Ziele formulieren, umsetzen und suaber erreichen, sondern das bin ich ganz alleine, ja.

9. Infolge einer, aber das konnte ich am Anfang nicht wissen, Ohrenentzündung, habe ich endlich den Hausarzt meines Vertrauens, wie ich ihn mir seit vielen Jahren wünsche, ausgemacht und gleich festgezurrt. Man ist ja, was Ärzte angeht, einiges an Kummer gewöhnt: schnepfige Sprechstundengehilfinnen, lange Warte- und diametral entgegengesetzt kurze Abfertigungszeiten, blöde Rezepte bei schlechter gefühlter Anamnese. Nun alles anders: Entschuldigung für lange Wartezeiten (weil ohne Termin). Entschuldigung für die erforderliche HON-Überweisung (mit dem Hörrohr kann ich die sensiblen Trommelfellbereiche nicht sehen), die allerdings telephonisch-persönlich-ans-Herz-legend erfolgt. Entschuldigung, quasi, für: ich möchte ein guter HAUSarzt sein. Und beim HNO setzt sich das Drama fort: Kommen Sie lieber einmal zuviel, wenn irgendwas ist... Ui, da hat der Zimmermann gut geschaut... Das müssen wir ernstnehmen (was nicht heißt, daß jetzt irgendwelche Antibiotika wahllos verschrieben werden, nur weil was entzündet ist)... d.h. ärztemäßig schwebe ich grad im siebenten Himmel, und das soll fortgesetzt werden durch baldige Beendigung der Halswirbelsäulenblockade, die ich seit mindestens fünf Jahren mit mir spazieren trage und für die ich endlich eine Überweisung und den festen Willen habe, beim Orthopäden einen Termin auszumachen.

10. Mein sehr umgeräumtes Zimmer gefällt und bekommt mir sehr gut.

11. Es ist leider schon wieder vorbei, aber hier war es sehr Winter. Für OWL gefühlt: ausreichend für drei weitere Jahre. Alle verfügbaren Wasserflächen waren zugefroren, und es hat mich bei einem Ausflug nach Brönninghausen, wo es eine kreative Mühle gibt, durchaus überrascht, wie viele Ostwestfalen über ein benutzbares Paar Schlittschuhe verfügt und - vor allem! - in der Lage sind, dicht an dicht in relativ hoher Geschwindigkeit um einen fiktiven Mittelpunkt herum unfallfrei Schlittschuh zu laufen. Mich hätts ausgehebelt. Dafür saß ich mit der besten - EVER! - denkbaren Begleitung an dem alten Mühlrad, wo die Kälte lange attraktive Eiszapfen an den Wasserfall gezaubert hatte, und trank draußen in Kälte und Sonne Milchkaffee.

12. In einem gewissen Sinne war dieser für OWL-Verhältnisse SEHR erwähnenswerte Kälteeinbruch memory-triggering für damals-Zakopane (2005), für die kalten Winter Ende der neunziger, das schweinekalte Silvester-Prag 1995, das ebensokalte Silvester in Wien 2001, wo wir vorher noch in Mörbisch/See nach tollem, aber verfrorenen Spaziergang durch spiegelglatte Sumpflandschaft auf der Festivalsinsel im Fernsehen - als Deutsche knurrig geduldet - einen der vier legendären Hannavald-Siege sahen, für WANN IMMER es ganz klar ist, daß man Mütze-Schal-Handschuhe anhat, weil das Zeichen vor der Temperatur ein - ist.

13. Das einzige, was noch schwieriger sein dürfte, als eine Beziehung zu führen, in der beide völlig gleichberechtigt ihren jeweiligen beruflichen, privaten und eigenen Interessen nachgehen und trotzdem immer, für beide adäquat, füreinander im richtigen Ausmaße da sind, ist wahrscheinlich, ohne all das trotzdem umfassend und ohne Einschränkung alleine glücklich sein. Das muß man sich immer wieder sagen, wenn man mal wieder den Kreis quadratieren möchte. Und gleichzeitig scheint es gar nicht so schwer zu sein, eine adäquate Beziehung zu führen, wenn man nur dem anderen einfach mal zuhört und nicht immer nur das eigene Wohl in den Vordergrund stellt.

14. Langsam wird mir bewußt, daß das erste Ziel für nachm Studium wahrscheinlich nicht Berlin sein wird. Das streßt mich wesentlich weniger als die Vorstellung, nachm Studium den gleichen Job zu machen wie vorher, was in Berlin auch ginge. D.h. langsam, aber sicher manövriert es mich in eine "Oho, ich werde einen ernstzunehmenden Beruf ausüben" Richtung. Beachtlich, or?

Donnerstag, 8. Januar 2009

Zweimal Musik

Input:

James Blunt - you're beautiful
Dido - all you want
R.E.M. - you're in the air
James - out to get you
The Beatles - do you want to know a secret
Aretha Franklin - a natural woman
Eric Clapton - wonderful tonight
Herbert Grönemeyer - halt mich
Placebo - my sweet prince
Rio Reiser - für immer und dich
The Cranberries - dreams
U2 - everlasting love
The Cure - just like heaven
Elvis Presley - fever
Tracey Chapman - for my lover
Alanis Morissette - head over feet
Madonna - crazy for you
The Verve - lucky man

Output:

Coldplay - strawberry swing
Lou Reed - I love you
Eartha Kitt - just an old fashioned girl
Norah Jones - my dear country
Robbie Williams & Nicole Kidman - somethin' stupid
Feist - my moon my man
Jason Mraz - I'm yours
Radiohead - jigsaw falling into place
Herr Nilsson - sex im forumhotel
Thomas D. - rückenwind
Element of Crime - mehr als sie erlaubt
MIA. - tanz der moleküle
Pola -breathe
R.E.M. - try not to breathe
radiohead - last flowers to the hospital
Portishead - all mine
The Cardigans - and then you kissed me 2
Moloko - the time is now

Montag, 5. Januar 2009

Eine Lanze für Martin Schmitt

Höchste Zeit wird das, und daß das jetzt grad, einen Tag vor dem Dreikönigsspringen in Bischofshofen, eher so aussieht, als spränge ich noch eben auf den Ich hab ja immer an den Martin geglaubt-Zug auf, ist mir klar. Ich hab auch nicht all die vielen Jahre, sechs oder wieviel, an ihn geglaubt, ich habs ihm und mir bloß immer gewünscht, daß er den Code nochmal knackt und wieder als letzter vom Tisch geht, ganz nach vorn. Selten hab ichs mir angeschaut - erst Sven Hannawald weg, dann Knie-OP, dann nichts mehr, nur immer die Meldungen: nicht qualifiziert, nicht im zweiten Durchgang, nicht dabei. Grenzenlos meine Enttäuschung, daß er 2005 in Zakopane nicht dabei war, grenzenlos meine Bewunderung dafür, daß er nie aufgegeben hat. Immer sich gequält, immer wieder den endlosen Fragen nach der Form, dem Sprungstil, dem Material, der psychischen Verfassung ausgesetzt, und man sah es ihm doch an, daß er es auch nicht wußte, warum er von Schanzen purzelte, auf denen er den Schanzenrekord hält, warum er die, denen er damals die Meter abgenommen hat, immer noch aufs Podest steigen sieht - von ganz weit weg. Und doch geht er immer wieder hoch. Sechs Jahre lang. Jetzt lese ich vor der Tournee, er werde als Geheimtip neben den haushohen Favoriten und Saisondominatoren Loitzl, Amman, Schlierenzauer gehandelt. Fast ungläubig, icke. Und plötzlich muß ich es wieder sehen, fühlen: Vier-Schanzen-Tournee. Ungeliebtes K.O.-System, aber schönes Wetter. Und dann ein Martin Schmitt schon in Oberstdorf auffällig. In Garmisch auf Platz drei nach dem ersten Durchgang, fällt dann bissel zurück. In Innsbruck, dieser verfluchten Anlage mit dem kreuzigen Auslauf, dann, mit einem unglaublich Satz, der die versammelte Elite schlichtweg düpierte, Erster nach dem ersten Durchgang. Was hieß, daß er im zweiten als Letzter runterging. Wie früher. War ich aufgeregt! Daß es dann Platz 3 und (noch) nicht der lang herbeigesehnte Sieg war - die Enttäuschung konnte man ihm ansehen. Und doch ist dieser Podestplatz so wichtig, vielleicht wichtiger als ein Sieg gewesen - dieser Martin hat in Garmisch-Patenkirchen und in Innsbruck die Rechnungen der Favoriten tüchtig durcheinandergewirbelt, und daß ihn das wieder zusammenfügt, zeigt sich in der heute von ihm gewonnenen Qualifikation in Bischofshofen. Das heißt: er geht morgen wieder als Letzter runter, im ersten, und ich hoffe natürlich, auch im zweiten Durchgang. Und bringt das alte Bibelwort heim, das da heißt: Die Letzten werden die Ersten sein. Ich werde ihm natürlich sehr die Daumen drücken, bloß schauen kann ichs nicht, leider.

Also, Martin: hupf' morgen weit und schön, ja?


Freitag, 2. Januar 2009

U-Bahn-Diagnose: Ja oder Nein?

Das betrifft uns als Psychologen ja auch: was mache ich eigentlich, wenn ich jemanden sehe, den ich einer DSM-VI-festen Diagnose zumindest verdächtige? Lernen wir im Studium genausowenig, wie wir wissen, daß wir im Umfang unseres Studiums der Schweigepflicht unterliegen, wenn uns jemand als "angehenden Psychologen" in einer kniffligen Sache um Rat fragt. Dabei gibt es während des Studiums (außerhalb von Fallseminaren und Praktika) kaum mehr Situationen, in denen man mit seinem künftigen Stand konfrontiert ist.

(Stand meint: wenn im Fernsehen ein Autounfall oder ein Flugzeugabsturz gezeigt wird und sich jemand dazu äußern soll, wie es den Betroffenen jetzt wohl gehen mag, dann steht immer Diplom-Psychologe unten am Rand, und der Diplom-Psychologe äußert dann immer erstaunliches wie die Hinterbliebenen stehen unter Schock und die Hinterbliebenen sollte man jetzt besser in Ruhe lassen, und das verführt eine Fernsehstation niemals dazu, die Hinterbliebenen in Ruhe zu lassen, aber der Diplom-Psychologe hat gesprochen. Stand heißt, wenn der Diplom-Psychologe spricht, sagt er das, was eigentlich alle denken, aber mit gefühltem professionellen Hintergrund.)

Was mache ich also, wenn ein guter Freund sich offensichtlich in einer Major Depression befindet? Wenn jemand so viel grübelt, daß man über eine generalisierte Angststörung nachdenken sollte? Wenn sich jemand in der U-Bahn mit seinen Stimmen unterhält? Wenn ich dieselbe Person schon wiederholt im Klo in der Uni dabei getroffen habe, wie sie sich übertreiben und aufwendig die Hände wäscht? Wenn eine Kommilitonin alle Anzeichen einer Eßstörung aufweist? Wenn man also, aufgrund des erworbenen Fachwissens, eine Macke, einen Spleen, viel besser von einem klinisch auffälligen Verhalten differenzieren kann als der sterbliche, nicht mit einem Psychologiestudium gesegnete Normalbürger?

Ehemalige Kommilitonen beiderlei Geschlechts, die inzwischen - wo und wie auch immer - ihrem professionellen Tagwerk nachgehen, würden wahrscheinlich anmerken: es ist nicht so schlimm wie bei Medizinern, aber trotzdem hat man einen furchtbar professionellen Blick, den man, je nach zugrundeliegender Interessenausrichtung, nicht so schnell loswird - daher werden einem öfters Menschen auffallen, die vermutlich mit einer potentiellen Diagnose herumlaufen. Andererseits lernt man im Studium, daß eine Diagnose sorgfältig und aufwendig gestellt sein will - auch wenn das im Klinikalltag sicher auch nicht immer gemacht wird und Anfänger auch noch die entsprechende Erfahrung missen lassen - daß es also mit U-Bahn-Diagnosen schlecht aussieht. Aber trotzdem - hat man Verantwortung? Oder im Gegenteil - geht man ein großes Risiko ein, entsprechende Hinweise zu geben? Im privaten Bereich wird das eher ja noch problematischer. Schnell wird einem nachgesagt, die studiert Psychologie, und schon werden einem irgendwelche Auffälligkeiten angehängt.

Der klinische Professor hat in der Vorlesung gesagt, was er mit den Händewaschleuten macht: er fragt die, Sie wissen aber, daß man das behandeln lassen kann?

Aber an sich muß man da wohl selber drüber nachdenken. Gut, in den allermeisten Fällen wird man keine Angst vor einer Schadensersatzklage haben müssen - schließlich wird mich weder ein völlig Fremder noch ein guter Freund nach erfolgter doch-noch-Diagnose verklagen, daß ich als Psychologiestudierende oder später Psychologin ja schließlich hätte wissen müssen. Neben all den anderen, vornehmlich steuerlichen, unterhaltlichen oder schweigenden Pflichten existiert mitnichten eine diagnostische Pflicht. Über den ethischen Gehalt oder die moralische Pflicht von Diagnosen sollten zukünftige Fachleute im Studium aber eventuell nachzudenken lernen.