Dienstag, 21. April 2009

Klischees abbauen bzw. erweitern

Also mein neuer Mitbewohner ist all das, was er nicht sein sollte: jung, männlich und Pädagogik-Student. Wenigstens sieht er gut aus und widerspricht nicht nur damit gängigen Pädagogik-Studenten-Klischees. Weiters verfügt er über ein typisches Emo-Piercing und ein Macbook und hört gerne unhörbare Musik, weil über kabellose (vermutliche Funk-)Kopfhörer. Sein Nahrungsmittelgeschmack scheint in der Bandbreite ähnlich indifferent, in der Ausprägung allerdings unaufwendiger zu sein. Insgesamt ein Abendduscher und bislang-wenig-zuhause-Seiender, also ein Guter.

Professoren sind ja überbezahlt und faul und kümmern sich um nichts und schon gar nicht um Lehre, und daß das nicht immer stimmen kann, mag ich hier gar nicht darlegen. Aber daß Professorinnen noch sonntagabends nach einem Wochenendseminar Geburtstagskinder aufsuchen und das Buffet angemessen plündern, das finde ich nett. Andere Professoren haben einen Anzug an bzw. sind von einem solchen umgeben und befinden sich in einem Raum mit klassischen old-school-Tafeln, die mit Kreide beschrieben sind. Binnen weniger Minuten ist der Professorenanzug vollständig kreideverziert. Und das der gleiche Professor nach dem Seminar in der Sonne ein Zimtnupsi verspeist und Kaffee dazutrinkt und nahezu träumerisch vor sich hinsagt Hängematte, Strand, Meeresrauschen, ein kaltes, mexikanisches Bier mit einer Zitronenscheibe darin und eine Hütte, in der einer das Kochen anfängt, das ist nicht besonders klischeeig, or?

Wunderschön heute T2-233, ein Seminarraum, in welchem laut elektronischem kommentierten Vorlesungsverzeichnis das allseits beliebte Seminar Diagnostische Verfahren II: Persönlichkeits- und Leistungstests stattfinden soll. Ich trete ein; keiner drin. Später kommen die beiden anstrengenden Lernschmarotzer. Dann die verrückte Frau, die freiwillig und ohne erkennbaren äußeren Zwang von Berlin (HU) nach Bielefeld (BI/NRW) gewechselt ist. Dann niemand mehr. Da es offensichtlich eine Raum-Zeit-Verschiebung gegeben hat (möglicherweise ohne Zeitwechsel), rufe ich spontan die Sekretärin an, die dank einer neben ihr befindlichen Kommilitonin zu berichten wußte, daß wir uns heute im Diagnostik-Labor einfinden. Hui. Das hätte der Herr Professor in den vorangegangenen Emails über die mögliche Teilnahme am Seminar auch mal sagen können. Aber vielleicht, Klischee, hat ers einfach vergessen, zerstreut wie er bestimmt war.

Sehr klischeebestimmt zeigte sich heute wieder der Sigi, der Platz, der Siegfriedplatz, auf welchem Horden von nichtsnutzigen Studenten auf Decken lagern und mitgebrachtes Bier trinken, flankiert von den zahlenden Gästen der Kaffeewirtschaft des Gemeinschaftshauses, zwischen denen kläffende Hunde Hof halten. So einen Platz gibt es in Berlin sicher nicht, zumal selbst wenn, wären es mehrere, und dann würde man sich wiederum nicht treffen. Hier trifft man sich aber. Wenn man das Gegenteil von sozialer Phobie, aber keine Feunde hat, die sich mit einem treffen wollen, muß man nur dahergehen und sich zu den immer vorhandenen Bekannten dazusetzen.

Egal: unterm Strich gehe ich in vier Lehrveranstaltungen in den zwei Fächern, wo die nächsten Prüfungen lauern, und werde dort Spaß haben. Und freue mich über den direkten Kontakt mit den lieben Mitstudierenden, der ein bißchen vernachlässigt war in letzter Zeit. Und mehr mache ich auch nicht, sondern genau diese beiden Prüfungen, das wird schwer genug.

Freitag, 17. April 2009

Der Unterschied zwischen einer E-Gitarre und einem BH

Einleitend das Geständnis: Ja, auch ich reihe mich seit einigen Wochen in eine proseccoselige Reihe von Damen unterschiedlichen Alters ein, um dem Treiben der Mädels von Heidi Klum auf ihrem steinigen Weg von der Vorstadtblume zum Topmodel zuzuschauen. Nicht daß es wirklich unterhaltsam wäre - es sind eher sozialer Druck und Spaß am gemeinsamen Spaß, die mich vor den Fernseher locken, als daß es eine fast routiniert wirkende Schar von Nachwuchsphotomodellen je vermöchte. Prinzipiell scheint die Sendung eher der späten Rache Heidi Klums gewidmet zu sein - dies mußte sie früher auch mal machen, dafür wurde sie auch mal gebucht. Ich möchte jetzt nicht wiederholen, was ein guter Schreiber auf jetzt.de bereits für mich gedacht hat, aber daß die Inhalte der Sendung mit der Lebens- und Arbeitsrealität echter sogenanter Topmodels so gut wie nichts zu tun haben, dürfte auf der Hand liegen. Eher dürfte der sogenannte Topmodel-Alltag langweilig sein mit einer unendlichen Reihe von übergewichtigen Regisseuren, die auf die gutaussehenden Models herabblicken, mit unzähligen schwuppigen Photographen und/oder Designern, die Sätze sagen wie Dein Hintern sieht schon ganz gut aus und Ich liebe es, wenn Mädchen machen, was ich ihnen sage. Nicht nur eines, das sich wünscht, endlich mal einen Alligator an der Leine zu führen oder vor einem mit kleinen Feiglingen abgefüllten Buchhalter-Publikum Stand-up-comedy machen zu dürfen, in einer Stadt, in die man nie zurückkehrt.

Aber darum sollte es gar nicht gehen, obwohl ich mich gerade warm schreibe und meiner Abneigung gegen die Sendung noch seitenlang begründet Ausdruck verleihen könnte. (Ja, ich sollte aufhören, die Sendung anzugucken, weil gerade dieses Event-Gucken, auchdas ironisierte, zum Gerede und leider auch Geschreibe über die Sendung beiträgt, und somit via Einschaltquoten und Werbeeinahmen zu Fortsetzungen und Schlimmeren führt.)

Gestern mußte in BH und Schlüpfer zu angeblich rockiger Musik (es war aber auch Jump! von KrisKros [geschätzt 1993] zu hören...) E-Gitarre geschwungen werden. Ziel des Spots war es, die Busenhaltfähigkeiten des BHs auch bei auslandende,m Körpereinsatz zu demonstrieren. Die Mädchen waren schlußendlich alle gleich schlecht, weil keine einzige auch nur in der Lage war, eine E-Gitarre angemessen in den Händen zu halten, und dann stirbt jede E-Gitarren-Performance am Luftmangel. Aber beim (unkonstruktiven, ohne jede Sandwich-Methode) Feedback-of-the-week wurde Svetlana (ist geistig nicht älter als 13, hat schlimme Lippen und sieht auch sonst höchstens pornös aus) aufgefordert mitzuteilen, was das wichtigste an jedem Casting ist: Wir sollen unsere Persönlichkeit einbringen. Jaja. Und was noch? *Schluchz* Das Produkt verinnerlichen. Wir haben das Gefühl, daß du manchmal nicht verstehst, worum es eigentlich geht. Was sollte in dem Spot verkauft werden? Eine E-Gitarre.

Naja, da war der Abend gerettet. Aber ich muß damit aufhören. Allein schon wenn man die spärliche Post vom Konfidenten aus México sichtet, der Migranten auf dem Weg in die USA betreut, wird einem das absolut absurde und unerträgliche an solchen Formaten speziell, aber auch am fiktiven Fernsehen sowie am internationalen Topmodelwesen an sich immer wieder gut bewußt. Leider treffen sich so viele nette und interessante Persönlichkeiten ohne einen solchen banalen Anlaß nicht annähernd so regelmäßig.

Montag, 13. April 2009

Hannover und Berlin: je 24 Stunden

Aber vor den Osterspaß hat der liebe Gott oder jemand anders den Donnerstagabend gesetzt, der im mittelgroßen Kreis den immerfort essenden Topmodels in spe sowie der Proseccoflasche gewidmet ist. Dann geht es auf die Autobahn und in Hannover in den feiertäglich angefüllten Zug, und am Hauptbahnhof Berlin kann ich mir schonmal den Button Auskünfte aller Art, auch in Fremdsprachen, ans Revers heften. Für Ortsfremde ist das schmucke Teil offensichtlich nicht selbsterklärend. Dabei gibt und gab es ja Bahnhöfe, die bezüglich ihrer verfügbaren Transportmöglichkeiten räumlich wesentlich instransparenter wirkten, wie zum Beispiel der Bahnhof Alexanderplatz in der Zeit zwischen dem Fall der Mauer und der darauffolgenden Zugänglichmachung zweier weiterer U-Bahnlinien (1989) und der Fertigstellung seiner Renovierung und Brauchbarmachung (ca. 2002). Damals wußte jedes Kind in Berlin, daß man niemals am Alex von der S-Bahn in die U2 umsteigt, weil das selbst Einheimische nicht auf Anhieb schaffen*. Am Hauptbahnhof jedenfalls sieht man das Elend ja jedenfalls, also das unten, wo man hinmuß, kann man auch von ganz oben sehen. Bloß eben nicht springen, sondern entsprechende Rolltreppen wählen!

Während der Zugfahrt blickte ich in die ausgezeichnete aktuelle Ausgabe der Vierteljahresschrift Dummy, deren Ausgaben sich jeweils hingebungsvoll einem einzigen Thema widmen; diesmal dreht es sich auf vielen Seiten einzig und allein sehr gelungen um Berlin (sic!). Falls also jemandem vor mittellanger Zugfahrt am Bahnhof im Kiosk diese Publikation auffallen sollte: nicht zögern, zugreifen! Einziger Wermutstropfen in der sonst gut abgeschmeckten Journaille-Suppe: Liebe Dummy-Leute, Friedrichshain und Prenzlauer Berg sind zwei ehemalige Berliner Stadtbezirke, die inzwischen in größeren Bezirken aufgegangen, als Stadtteile aber ungehindert und vor allem unverändert im Sprachgebrauch und auch sonst erhalten geblieben sind. Und schon immer sind die jeweiligen Bezirksbezeichnungen als Eigennamen zu verstehen und nicht als Ausdrücke etwaiger geographischer Besonderheiten. Zwar gibt es tatsächlich einen König Friedrich gewidmeten Park entsprechenden Namens, aber der Volkspark Friedrichshain befindet sich auf dem Gebiet von Prenzlauer Berg und hat mit dem angrenzenden Bezirk zwar den Namen, sonst aber wenig bis nichts gemein (vor allem befinden sich im Park viel mehr Bäume!). Genauso befinden sich zwar große Gebiete von Prenzlauer Berg auf der nordöstlichen Begrenzung des Berlin-Warschauer Urstromtals und mithin, für Berliner Verhältnisse, auf einem Berg, in dessen gedachter Verlängerung irgendwann auch die Stadt Prenzlau in der Uckermark liegt. Trotzdem handelt es sich nicht um einen Stadtbezirk, der aus Faulheit nach einem auf einem Hügel befindlichen Unterschichtsviertel benamst wurde. D.h. der Statbezirk Friedrichshain ist kein Hain und der Stadtbezirk Prenzlauer Berg ist kein Berg - also wohnt man in Friedrichshain, zieht nach Prenzlauer Berg, trifft sich in Friedrichshain in einer Kneipe und besucht eine Freundin in Prenzlauer Berg. Kein der, kein im, kein auf. Daran erkennt man den echten Westschreiber. Es sagt ja auch niemand, daß einer aufm Kreuzberg oder im Tempelhof wohnt. Quasi als Wiedergutmachung hingegen betrachte ich den Halbsatz in der alten und neuen Bundesrepublik und in der DDR, mit welchem klargemacht werden soll, daß sowohl früher, also in den beiden damals existierenden deutschen Staaten, als auch heute, in dem einen noch fortdauernden deutschen Staat, Berlin diese und jene Attraktion auf Zuwanderer hatte. Das ist viel löblicher, treffender und vor allem richtiger als die unsäglichen fünf neuen Länder bzw. alten Bundesländer, oder die ehemalige DDR, oder noch besser damalige DDR, oder das blöde Ostdeutschland und Westdeutschland, das nun wirklich Kalter-Krieg-Sprech ist und längst abgeschafft gehört. Ich schlage hiermit die oben angeführte, aus dem Dummy: Berlin entliehene Redeweise als alleinig zulässige vor, wann immer es um das Heimatland in seinen historischen und aktuellen Bewußtseinszuständen gehen möge.

In Oranienburg wie auch im Rest der Republik herrschte fast unverschämt gutes Wetter, und wenn es nicht wenigstens etwas windig gewesen wäre, hätten die typischen Wetterningeler aber alt ausgesehen! (Ein Wochenende - mäßig grau, aber niederschlagsfrei - zuvor beim duschen im Radio, nach einer langen Woche mit sehr schönem Wetter - in Bielefeld! - gehört: Ich wünsche mir und uns allen, daß die Sonne endlich wieder scheint und es nicht mehr so kalt ist.) Allerlei Miezekatzen stromern herum, es gibt Eis und Erdbeerkuchen und Gegrilltes, bloß der Teich ist nach Umbau und Erweiterung noch nicht wieder liquide.

Abends sitzt das junge Europa im 7 in Friedrichshain am Ostkreuz, der frühere Decision-making-Konfident erscheint als Überraschungsbesuch und vertellt Spökes über sein Promotionsvorhaben. Schön ist es in Friedrichshain. Am nächsten Tag wird mit der Lieblingsschwester der Kiez vermessen, zu Fuß natürlich. Ein seltenes Vergnügen. Die Sonne prasselt. Auf Friedrichshains Straßen hört man nurmehr Englisch, Spanisch und Französisch, die Passanten sehen so merkwürdig aus wie sie sprechen: urban mit dem Laptop unterm Arm, die Wollmütze dem unösterlich brennenden Zentralgestirn trotzig entgegengereckt, die Papierbeutelchen mit dem korrekten Käse vom Markt in den oversigned Kinderwagen gestapelt... wenige Leute, die einfach nur hier wohnen und unaufgeregt ihre Biographie bewältigen. Trotzdem zieht es jede meiner Fasern direkt hierher zurück, und das Wissen, daß Duisburg noch anderthalbt ICE-Stunden weiter entfernt ist, beginnt sich wahrnehmbar in den Vordergrund zu schieben.

Dann noch Hannover mit einer imposanten 12-Apostel-Location dort, wo meine geliebten Pelikan-Füller früher herkamen, einer beeindruckenden Menge Wasser, Stahl, Glas und Beton und einer Turminstallation namens Die drei warmen Brüder, wobei der Begriff, wie mir versichert wurde, von der einheimischen Bevölkerung tatsächlich auch verwendet würde - im Gegensatz zu entsprechenden Berliner Spitznamen, bei deren Übernahme man immer vorsichtig sein sollte, will man sich der Lächerlichkeit nicht preisgeben. Niemand sagt Telespargel oder Waschmaschine.

Jedenfalls gab es in Garbsen noch: Idylle; Teich; Bruder im Teich; Cousine; Eltern; Tante-Onkel-Doppelpack; Oma; Osterwetter; Kanal mit Sperrtor; Grill mit Ritualen; Entspannung und Aufnahme und Unkompliziertheit und Freude; Ostereiersuchen; was wird Ostern eigentlich wann und warum gefeiert, und woher weißt du das alles?; langen Spaziergang; Wasser; Altbierbowle... das alles sehr gut auszuhalten.

Und dann ging es heim in einen wundervollen Ostermontag hinein... und morgen beginnt die Vorlesungszeit.

* geklaut bei Max Goldt.

Sonntag, 5. April 2009

... und Duisburg:

Das ist im Ruhrpott. Bzw. der davon westlichste Teil. Bzw. die stadtgewordende Mündung von der Ruhr in der Rhein, bzw. Standort des größten europäischen Binnenhafens, bzw. der östliche Stadtteil von Moers, bzw. überhaupt.

So jedenfalls, wie vormals alle sagten Du Arme, ausgerechnet Bielefeld, das ist ja Ganz Schlimm, sagen jetzt alle Auweia, Duisburg, Ruhrgebiet, und überhaupt ganz häßlich, naja, und die Ruhrästhetik ist schon eine eigene - aber auf Ziegelsteine, verlassene Industriegebiete und gleichwohl malerische Flußauen fahre ich ja ab. Von Häfen ganz zu schweigen.

Ich fahre also an einem sonnigen, sogar recht warmen Frühlingstag im ICE die Ruhr entlang, nicht ohne zuvor die Vorzüge des neuen Nummer-zieh-Systems im Reisezentrum Bielefeld kennenzulernen: an sich begrüßenswert, aber nun stehen größere Menschenansammlungen mit teils Migrationshintergrund daher und schwadronieren 649? Nee, oder? Das ist jetzt nicht wahr, usw: mit anderen Worten: sie nerven auf akustisch wahrnehmbare Art und Weise. Aber gemach, nun der Zug, der nur zwischendrein von einer Regionalbahn ausgebremst wird, aber dennoch beachtlich pünktlich den Hauptbahnhof Duisburg erreicht. Dieser ist groß, alt und schön. Der Chef schaffts abholen nicht, also ins Taxi hinein, der Taxifahrer fährt an so einem Glashaus vorbei, an welchem äußerliche Bauarbeiten vorgenommen werden und merkt an, daß da früher schonmal Glasscheiben hinuntergefallen seien; gottseidank sei niemand verletzt worden. Ich denke im stillen ans LaFayette, wo ja auch dies und das runterfiel, damals, und dann sagt der absolut jedem Proll-08/15-Taxifahrer-Image entsprechende Taxifahrer Dis hat dieser Forster gebaut. Eigentlich sagt man, dis soll ein Schiff darstellen. (Ich drehe mich um und sehe durchs Rückfenster.) Das können Sie jetzt so nicht sehen.

In diesem Moment dachte ich schon, hier wirste dereinst richtig sein, im Ruhrgebiet. Wenn et schon nich Berlin is, da wenichstens hier.

Die Uni gefällt mir gar nicht, weil ich ein Gewöhnungstier bin und nicht in Keksdosen essen gehen mag. Auch muß man in der Mensa viel zu viele Entscheidungen treffen. Andererseits hängen in den Toiletten witzige Zettel. In der Herrentoilette, welche ich aufzusuchen berechtigt war, weil der einzige auf der Etage und überhaupt im Gebäude noch anwesende Herr mir dieses ausdrücklich gestattete, hing ein Pamphlet mit der Information: In der Vergangenheit ist es wiederholt vorgekommen, daß das Licht ausgeschaltet wurde, obwohl sich noch eine Person im Raum befand. Ohne Licht bietet der Raum o Meter Sichtweite. Es besteht also erhebliche Verletzungsgefahr. Daher bitte vor Löschen des Lichts Sorge tragen, ob der Raum wirklich leer ist. Bei den Frauen steht: Das Licht bitte, bitte, bitte, bitte nicht ausschalten.

Ansonsten fand ich die spontan zugänglichen Teile von Duisburg super: an dem einen Morgen war offensichtlich so was wie letzter Schultag (das wird auch immer früher, or?) und lauter verkleidete Gymnasiasten sprangen in der Innenstadt umher. Die Linien der öffentlichen Verkehrsmittel tragen absurd hohe Nummern, z.B. 901 für die lächerliche Straßenbahn zur Uni. Selbstredend sind die Haltestellen, die für die Uni verantwortlich sind, knapp unsinnig angeordnet, so daß man verhältnismäßig lange gehen muß - kein Problem im frühapriligen Sonnenschein, aber da es am Niederrhein auch nicht grad viel weniger regnen wird als in Biele, sollten Spesen für Regenschirme o.e.* jacken eingeplant werden.

Apropos Jacken: Endlich konnte ich mit einer passenden Ausrede das Jackenverbot aushebeln und verfüge nunmehr wieder über eine schicke und gleichzeitig funktionale Doppeljacke in knallrot - Herzstück eine sehr universell einsetzbare sog. Softshelljacke, die gegebenenfalls in eine regendichte und atmungsaktive richtige Jacke eingezippt werden kann. Daher güldet ab jetzt das absolute Jackenverbot: egal ob die avisierte Jacke blau oder grün ist, ob sie für arktische Temperaturen oder saharische Abenteuer ausgelegte Spezifitäten besitzt oder schlicht traumhaft günstig ist: ich besitze genügend, für jeden Anlaß ausreichend geeignete Jacken.

Jedenfalls Duisburg wird ja frühestens am Ende des nächstens Jahres wirklich ein Thema werden... es sieht aber nicht so aus, als würde ich Bielefeld nur schweren Herzens gegen eine Hafenstadt eintauschen können.

*oder entsprechende


Freitag, 3. April 2009

...fortsetzung...

Das ist am Königsstuhl:

... und das ist der alte Saßnitzer Fährhafen samt U-Boot:

... das der Strand von Prora im Nachmittagslicht zwischen zwei Schneestürmen...

... und hier sieht man einen winzigen Teil des großen KdF-Gebäudes mit einer witzigen Bemalung, deren Hintergrund nicht ergründet werden konnte:

... und finally das Binzer Schmuckstück, eine vermutliche Bushaltestelle, die so dermaßen dysfunktional ist, daß sie der einzige Ort weit und breit ist, wo der Boden nach dem heftigen Niederschlage noch naß ist...


Kurzum, Rügen gefällt, ist aber wahrscheinlich im Sommer, also in der Saison, also zwischen Mai und Oktober, nicht auszuhalten.

Kuriosa gab es auf der Reise reichlich. Zum Beispiel fährt vor uns ein dicker, nahezu panzöser Volvo X90 (Durchschnittsverbrauch 17 Liter auf 100 km) mit einem schönen Rettet die Erde-Aufkleber am Heck. Ich fahr dann schonmal vor, oder was? Dann wimmelte es auf der Insel nur so vor Ostwestfalen aller Coleur und Landkreise. Weiters gab es natürlich lustiges Kennzeichenraten - TDO?? Und wenn man dann so ein TDO-Auto von nahem besichtigt, steht auf der Plakette Landkreis Nordsachsen. Ja, ist klar, die Abkürzung. (Später ergeben Nachforschungen, daß es sich um die drei ehemaligen Landkreise Torgau, Delitzsch und Oschatz handelt.) Oder was zur Hölle ist HZ, und warum fährt HZ so unendlich langsam vor einer stetig wachsenden Kolonne her? Ist wahrscheinlich ein Fahranfänger in Papis Auto, und Papi sitzt aufm Beifahrersitz. Oder ein Fahranfänger in Papis Auto, und Papi weiß nix davon. Den hinterdreinjuckelnden Inselbewohnern juckt der Gasfuß.

In den schönen Binzer Bierstuben gab es auch allerlei. Das Essen ist vorzüglich und wird hier an dieser Stelle ausdrücklich gelobt. Vom Faß gab es Rostocker, an das sich die Prinzessin allerdings nicht so recht rantraute. Gezapft wurde es von einem, der das sichtlich gut konnte und Freude an seiner Tätigkeit hatte, wie überhaupt das gesamte Personal freundlich und professionell agierte, daß es eine reine Freude war, dort Gast zu sein. Schnöselige Vater-Mutter-(erwachsenes)Kind-Gespanne hatten daran keine Freude. Statt dessen angelten sie sich die Karte frech vom Kellnertischchen und rotzten den Kellner, als er erschien und begrüßen und Karten bringen wollte, mit einem "Karten haben wir uns schon genommen!" an. Die wurden dann auch professionell bedient, aber mehr auch nicht.

Das Frühstück wurde gleich vom ersten Morgen an ritualisiert in der Stadtbäckerei Junge eingenommen, wo es neben Sanddornsaft und vorzüglichen Kaffees auch Schlemmereien wie den scharfen Segler und sogenannte Bäckwiche gab. Auch hier konnte man das andere Volk beobachten, insbesondere die herrlich an alte Zeiten erinnernden Ostrentner, die man sofort an ihrer extrem geschmack- sowie zeitlosen Kleidung erkennen konnte. In der Mitte des Raumes saß stets dieselbe mittelalte Frau alleine, rührte in einer Tasse und schaute vor sich hin. Gelegentlich verirrte sich ein jüngeres Pärchen in die Bäckerei. Am letzten Morgen konnte das Frühstück draußen in der Sonne eingenommen werden.

Donnerstag, 2. April 2009

Biele - Binz - Berlin - Biele und dann noch Duisburg

Aber der Reihe nach:

Überraschenderweise hat das Kaninchen die Schlage ver...naja, vielleicht nicht -schlungen, aber bezwungen. Anschließendes ins-Auto-steigen und durch schlimm verregnetes norddeutsches Tiefland reisen steigert die Lebensqualität beträchtlich. Ganz ohne Navi schaffen wir es bis Binz.

In Binz gibts es eine schöne Ferienwohnung und schönes Wetter mit Schneestürmen und Sonnenschein und klaren Nachthimmeln. Es gibt lecker essen und Spazierfahrten durch jedes denkbare Wetter.

Folgende Gesetzmäßigkeiten wurden aufgedeckt:

Rügen - Insel der Museen
Binz - Urlaubsort ohne Briefkasten

In Prora allein, wo die Überreste des seinerzeitig als KdF-Bad geplanten Baukomplexes unsichtbar hinter Kiefern den Strand säumen, gibt es für NVA, KdF, Tiere, Technik und sonst alles andere denkbare eigens Museen nebst Wiener Kaffeehaus. Ferner gibt es noch diverse Eisenbahn- und Landwirtschaftsmuseen und in Saßnitz sogar ein britisches U-Boot, das sah aber von draußen schon eng aus.

In Binz, auf der Suche nach einem Briefkasten, stellt man die Abwesenheit eines solchen fest. Die angeblich vorhandene Post ist weit. Die Zustellerin sagt: Da hinten soll einer sein, aber so mehr im Gebüsch. Und so ist es. Urlaubspostkarten schreiben eventuell unerwünscht; Urlaubspostkarten abschicken auf jeden Fall.

Da gibt es einen Laden in Baabe oder sonst irgendwo auf Mönchsgut, wo der arme Azubi alles alleine gleichzeitig machen muß: Ware einräumen, kassieren, Wurst am Wurststand verkaufen, Brötchen am Brötchenstand verkaufen. Wenn der mal überfallen wird, würde er das vermutlich nicht mal merken, wenn er grade Wiener Würstchen an durchreisende Psychologinnen verkauft. Andererseits, wohin sollte der mutmaßliche Überfaller fliehen?

An der Boddenküste stehen schmucke Häuschen am schmucken Strand. Schön ist die Vorstellung, dort jeden Abend am Strand zu sitzen und sonst nichts zu tun. Vielleicht mal segeln gehen, auf dem Greifswalder Bodden. Oder surfen. Lagerfeuer, manchmal, und grillen sowieso.

Am Königsstuhl kann man sechs Öre Eintritt fürs Nationalparkzentrum bezahlen, und dann geht man eigentlich nur aufs Klo. So teuer war ich glaub ich noch nie auf dem Klo. Aber sonst wär man nicht zur Aussicht gekommen, und die war schon was. Das Meer praktisch türkis, also Lagune nichts dagegen, und der Felsen hoch, auf dem man steht. Hier hat Caspar David Friedrich sein berühmtes Bild gemalt, und ich habe es selbst überprüft: die Aussicht auf dem Bild gibt es gar nicht, jedenfalls nicht am Königsstuhl.

In Mukran habe ich die Umspurungsanlage von der Brücke aus vermuten können. Täglich legt die Scandlines-Fähre ab nach Schweden und fährt übers Meer. Das konnte man von Binz aus sehen.