Dienstag, 21. April 2009

Klischees abbauen bzw. erweitern

Also mein neuer Mitbewohner ist all das, was er nicht sein sollte: jung, männlich und Pädagogik-Student. Wenigstens sieht er gut aus und widerspricht nicht nur damit gängigen Pädagogik-Studenten-Klischees. Weiters verfügt er über ein typisches Emo-Piercing und ein Macbook und hört gerne unhörbare Musik, weil über kabellose (vermutliche Funk-)Kopfhörer. Sein Nahrungsmittelgeschmack scheint in der Bandbreite ähnlich indifferent, in der Ausprägung allerdings unaufwendiger zu sein. Insgesamt ein Abendduscher und bislang-wenig-zuhause-Seiender, also ein Guter.

Professoren sind ja überbezahlt und faul und kümmern sich um nichts und schon gar nicht um Lehre, und daß das nicht immer stimmen kann, mag ich hier gar nicht darlegen. Aber daß Professorinnen noch sonntagabends nach einem Wochenendseminar Geburtstagskinder aufsuchen und das Buffet angemessen plündern, das finde ich nett. Andere Professoren haben einen Anzug an bzw. sind von einem solchen umgeben und befinden sich in einem Raum mit klassischen old-school-Tafeln, die mit Kreide beschrieben sind. Binnen weniger Minuten ist der Professorenanzug vollständig kreideverziert. Und das der gleiche Professor nach dem Seminar in der Sonne ein Zimtnupsi verspeist und Kaffee dazutrinkt und nahezu träumerisch vor sich hinsagt Hängematte, Strand, Meeresrauschen, ein kaltes, mexikanisches Bier mit einer Zitronenscheibe darin und eine Hütte, in der einer das Kochen anfängt, das ist nicht besonders klischeeig, or?

Wunderschön heute T2-233, ein Seminarraum, in welchem laut elektronischem kommentierten Vorlesungsverzeichnis das allseits beliebte Seminar Diagnostische Verfahren II: Persönlichkeits- und Leistungstests stattfinden soll. Ich trete ein; keiner drin. Später kommen die beiden anstrengenden Lernschmarotzer. Dann die verrückte Frau, die freiwillig und ohne erkennbaren äußeren Zwang von Berlin (HU) nach Bielefeld (BI/NRW) gewechselt ist. Dann niemand mehr. Da es offensichtlich eine Raum-Zeit-Verschiebung gegeben hat (möglicherweise ohne Zeitwechsel), rufe ich spontan die Sekretärin an, die dank einer neben ihr befindlichen Kommilitonin zu berichten wußte, daß wir uns heute im Diagnostik-Labor einfinden. Hui. Das hätte der Herr Professor in den vorangegangenen Emails über die mögliche Teilnahme am Seminar auch mal sagen können. Aber vielleicht, Klischee, hat ers einfach vergessen, zerstreut wie er bestimmt war.

Sehr klischeebestimmt zeigte sich heute wieder der Sigi, der Platz, der Siegfriedplatz, auf welchem Horden von nichtsnutzigen Studenten auf Decken lagern und mitgebrachtes Bier trinken, flankiert von den zahlenden Gästen der Kaffeewirtschaft des Gemeinschaftshauses, zwischen denen kläffende Hunde Hof halten. So einen Platz gibt es in Berlin sicher nicht, zumal selbst wenn, wären es mehrere, und dann würde man sich wiederum nicht treffen. Hier trifft man sich aber. Wenn man das Gegenteil von sozialer Phobie, aber keine Feunde hat, die sich mit einem treffen wollen, muß man nur dahergehen und sich zu den immer vorhandenen Bekannten dazusetzen.

Egal: unterm Strich gehe ich in vier Lehrveranstaltungen in den zwei Fächern, wo die nächsten Prüfungen lauern, und werde dort Spaß haben. Und freue mich über den direkten Kontakt mit den lieben Mitstudierenden, der ein bißchen vernachlässigt war in letzter Zeit. Und mehr mache ich auch nicht, sondern genau diese beiden Prüfungen, das wird schwer genug.

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