Sonntag, 3. Mai 2009

Der Laie fragt, der Fachmann wundert sich:

Zum Beispiel, wer hat sich bei der mehr-schlecht-als-Rechtschreibreform u.a. die Neuwörter Des Weiteren und sodass ausgedacht? Schon verbessert sich der Schreibstil erheblich, da man um sowas lieber herumkurvt, als es öffentlich sichtbar zu machen.

Warum findet der Sommer in Bielefeld immer im April statt?

Wo sind die Leute, die an warmen Tagen den Siegfriedplatz so intensiv bevölkern, daß es gegen Abend schwierig werden kann, überhaupt Platz zu finden, eigentlich bei schlechtem Wetter? Und was tun sie dann?

Wieso um alles in der Welt findet hier am ersten Mai kein Straßenfest statt? In Berlin ist jeder verfügbare Quadratmeter mit Straßenfesten aufgeladen. Hier nicht. Nicht mal'ne Kundgebung auf dem Jahnplatz gabs. Auf dem Siegfriedplatz nur die übliche Wolldeckenromantik und geöffnete, überquellende Biergärten. Neben uns an der Bierbank anstrengende Alt-Eltern mit Kind sowie eine anstrengende Dame, die ihrer Trinkkumpanin verbal arg zusetzte (sie tat mir ein bißchen leid - Nordic-Walking-Kurs auf Sylt, und lauter anderes dummes und vor allem lautes Zeug). Die alte Mutter verbreitete sich über die Miniröcke junger Mädchen und darüber, daß sich die jungen Mädchen morgens um acht Uhr per Handschlag nach dem Diskobesuch voneinander verabschieden.

Hat dieser eine Kellner im Mellow Gold eigentlich ausgeprägte Befürchtungen, daß ihn jemand für NICHT homosexuell, also für heterosexuell halten könnte? Wenn ja: unbegründet. Wirklich.

Macht Einkaufen glücklich? Sollte nicht, oder jedenfalls nicht ausschließlich bzw. als Handlung an sich. Das Ergebnis des Einkaufens ist schließlich wichtiger. Ein ausgedehnter schwesterlicher Bummel durch ausgewählte Läden in der Innenstadt macht müde Beinchen, aber Spaß. Und die Beute erst! Der vorläufige Höhepunkt wird von einem sehr schönen Lädchen in der Goldstraße in der Altstadt gebildet: hier gibt es schöne Sachen zu erträglichen Preisen. Darüber hinaus freut sich das Herz des bewußten Konsumenten, denn das erstandene schöne Shirt ist Made in EU.

Macht das Einkaufen teurer Sachen glücklicher? Der Modellversuch läuft. Gestern sind zwei Shirts von rumpfkluft angekommen, die zusammen 60 Öre gekostet haben. Produziert in Downtown L.A. (American Apparel), teils aus Biobaumwolle, teils mit Kapuze, mit schönen katzundgoldt-Motiven in der Wunschfarbe und -größe bedruckt. Glücksfaktor bislang: sehr hoch. Und dabei hab ich eins erst angehabt, und heute habe ich sie erstmal gewaschen = sie hängen auf der Leine. Trotzdem aber.

Woher kommt die gefühlt plötzliche Schwäche aller möglichen Schreiberlinge in Zeitungen, Bedienungsanleitungen, Bestellbeschreibungen, Rechungen, Reklamen, Ratgebern und sonst überall auch, die Höflichkeitsform Sie und die dritte Person Einzahl/weiblich bzw. Plural auseinanderzuhalten und richtig zu schreiben? (Zur Erinnerung: das eine schreibt man groß, das andere klein.) Durch die Falschschreibung ergeben sich immer wieder bekloppte und bescheuerte Sätze und ganze Texte, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Ich habe keine Lust, entsprechende Beispiele anzuführen, und außerdem soll man den Leuten das Falsche nicht auch noch zeigen. Dabei ist es so einfach: immer, wenn Sie jemanden direkt ansprechen, zum Beispiel bei Zahlungsmodalitäten den Kunden oder in Kolumnen das Publikum, dann groß; immer wenn Sie über andere sprechen bzw. schreiben, zum Beispiel in der Beschreibung der Eigenschaften einer externen Festplatte oder einer Fußballmannschaft, dann klein.

Warum verschlechtert sich das Mensaessen so sehr? Inzwischen muß sogar ich zugeben, daß die Menuzusammenstellungen mehr und mehr abenteuerlich sind. Lachten wir früher noch über Kartoffeltaschen mit Kartoffelbrei und Reisschnitte mit Reis, stehen wir nun stumm vor dem Glaskasten und wundern uns über die geballte Kombinationswut mit Nudeln. Besonders beliebt beim Küchenchef sind Kombinationen, die teils im Heimatland der Pasta, teils im Heimatland des Schnitzels zu den übleren Beleidigungen bei Tische gezählt werden: Schnitzel in Sauce mit Spaghetti. In der Cafeteria wurde der schmackhafte Fairtrade-Biokaffee gegen irgendein untrinkbares Gebräu ausgetauscht, so daß ich das vorgezogene Eintreffen des Sommers, während welchem ich ja kaum Heißgetränke zum Überleben benötige, ausdrücklich begrüße. Auf lange Sicht allerdings werde ich mich wohl konstruktiv unter Verweis auf meine Mitfinanzierung des derlei Übles anbietenden Studentenwerks beschweren müssen.

Gibt es eine Alternative zu MezzoMix? Eine andere Begleitfolge der Kaffeeverschlechterung ist nämlich mein zunehmender Verzehr von Koffein in Kaltform, d.h. von flüssigen Produkten des Coca-Cola-Konzerns, weil es von der leckeren Fritz-Kola leider kein Spezi gibt, und mein aus Berlin importiertes Spezi ist alle.

Gibt es ein besseres Buch über Prokrastination als das von Kathrin Passig und Sascha Lobo (Dinge geregelt kriegen, ohne einen Funken Selbstdisziplin)? Ich glaube nicht. Das Beste daran ist, daß die Autoren die Prokrastination nicht verdammen, abschaffen oder zum notwendigen Übel erklären wollen. Bloß leben können muß man mit ihr, wenn man ein LOBO (Lifestyle of bad organisation) oder Partner eines LOBOs ist, und darum geht es in dem Buch. Prima ergänzt durch anschauliche Geschichten aus dem Dunstkreis der Autoren, zum Beispiel darüber, wie Nichtstun am Ende doch Probleme lösen kann (Verfahren wird aus Mangel an Beweisen eingestellt, die Kosten des Verfahrens trägt der Staat) - und somit, das wissen die LOBOs aber nicht, infolge intermittierender Verstärkung das Verhalten, oder besser das Nicht-Verhalten noch verstärkt wird. Oder wie das mit den To-Do-Listen und den Deadlines in Wirklichkeit aussieht. Oder wie es, als hohe Kunst der Prokrastination, dazu kommen kann, daß man erfolgreich "im Kreis" prokrastiniert - also am Ende infolge einzigartiger Prokrastination sogar die am Anfang eigentlich vermiedene Aufgabe auch erledigt bekommt - bei Kathrin Passig immerhin das dann doch noch abgeschlossene Studium. Es gab beim Erscheinen des Buchs übrigens einen sehr schönen Aufsatz von Kathrin Passig in der Zeit, in welchem sie beschrieben hat, wie während des Schreibens (bzw. zunächst Nicht-Schreibens) des Buches zahlreiche andere Projekte und Arbeiten fertiggestellt bzw. überhaupt erst erfunden und ins Leben gerufen worden sind.

Kann man nach elfeinhalb Jahren ein Studium abschließen? Ja, man kann, solange es keine Prüfungsordnung gibt, die den Verfall von Scheinen vorsieht, wie es leider einem anderen Freund passiert ist, der nach dem zweiten mißglückten Diplomarbeitsversuch feststellen mußte, daß er nicht nur die Diplomarbeit, sondern auch noch alle Scheine vom Hauptstudium wiederholen müßte, woraufhin er das Handtuch schmiß und jetzt mühsam einen Abenduni-Abschluß ertrotzt. Also, die Universität Stuttgart ist da offensichtlich generöser als die Bauhaus-Uni Weimar, und daher: Herzlichen Glückwunsch, Herr Architekt (Dipl.-Ing.)!

Reichts jetzt erstmal wieder?

1 Kommentar:

niesen hat gesagt…

schwipp schwapp