Sonntag, 12. Oktober 2008

Zugfahren, Retraumatisierung in Ba-Wü, nettes Wiedersehen, erste Veröffentlichung als Erstautorin, erfreuliche, aber unliebsame Neuigkeiten und mehr:

Donnerstag:
Wir fahren mit dem Semesterticket bis Köln. Dorthin gelangt man mithilfe zweier Regionalexpresse mit Umsteigen in Hamm/ Westfalen. Ab da fährt man durch eine seltsam anmutende, teils mondige, teils versiedelte, aber oft auch schön anzusehende Landschaft. In Wuppertal bewunderte ich die geschickt über einem Fluß (Wupper?!) angebrachte Schwebebahn. In Hagen bewunderte ich die bombastische Bahnsteighalle. In kurz vor Köln fiel mir erstmalig auf, daß Leverkusen offenbar eine Art Vorstadt von Köln und nicht, wie bislang aus unbekannten Gründen angenommen, irgendwo am Rhein, also weiter oben am Rhein (auf der Karte unten!), bei Ludwigshafen oder so, befindlich ist. In Köln fährt man imposant über den vorbildlichen Fluß direkt in den Hauptbahnhof hinein, aber man könnte auch meinen, daß man direkt in den Dom hineinfährt, weil der praktisch nahtlos direkt neben dem Hauptbahnhof steht. In Köln verpaßte ich übrigens den IC nach Stuttgart um 30 Sekunden, weil mein RE zu spät war und der IC es überhaupt nicht einsah, auch nur weitere 30 Sekunden zu warten, eigentlich lächerlich, wenn man sich die Verspätungen sämtlicher anderer Züge des Moments so ansah. Aber egal. Ein netter älterer Herr, der am Fahrplan stand und sich zunächst darüber aufklären ließ, warum ich den Zug nicht einfach genommen hätte (Ha ha), war mir sehr gerne sehr überflüssigerweise beim Heraussuchen des nächsten Zuges (20 Minuten später - das ermöglichte mir immerhin, ein Photo vom Dom zu machen) behilflich. Und, oh Glück, es handelte sich dabei um einen jener seltenen, von mir schon früher in Berlin in völliger Unkenntnis des Inneren heißgeliebten alten ICs, die noch mit edlem Holzinventar und großzügig-bequemen Sitzen statt Pastelltönen und grobbeschichtetem Plastik aufwarten - wie aus einer längst vergangenen Zeit. Ich also: glücklich. Noch glücklicher durch: diese linksrheinische Strecke über Bonn, Koblenz (Lorelei), Mainz ist traumhaft schön. Im richtigen Zug für derartiges Reisen sitzend konnte ich immer nur eine Seite lesen, eine Minute auf den Rhein, eine Minute auf die Weinberge und die in Überfluß vorhandenen Burgen schauen und wieder eine Minute lesen. Lustigerweise fährt der Zug ohne Halt durch sämtliche verfügbaren Bahnhöfe Ludwigshafens durch, um auf der anderen Rheinseite in Mannheim zu halten. Ab Mannheim gab es teils unerwünschte Rekognitionseffekte - damals, Guten-Abend-Ticket, 0:00 ab Frankfurt/Main und dann noch 2:40 mit dem Interregio, der an jeder Milchkanne anhielt. Heidelberg, Vaihingen/Enz, Bietigheim-Bissingen usw. Gnädigerweise hüllte sich Stuttgart in Nebel, so daß ich die bescheuerten Fernsehtürme gar nicht richtig erkennen konnte. Auch sonst gab es kaum Rekognition, gut. Wieder mal eine verrückte Wohnung, Dusche in der Küche, Waschbecken im Flur, kein Korkenzieher, Musik über DVD-Player und Fernseher hören. Aber nett.

Freitag:
Den Chef vom Zug abholen, für eine Viertelstunde in der DB-Lounge verschwinden (Höhö) und was trinken, und dann den Zug doch fast verpassen, weil Gleisänderung nur klitzeklein am Fahrtrichtungsanzeiger drannesteht, aber (ganz im Gegensatz zur diesbezüglich vorbildlich bzw. fast schon penetranten Messestadt Hannover) nicht angesagt wird. Zug überraschend voll. Hält zwar nicht bis Reutlingen, ist aber trotzdem im Schneckentempo durchs Neckartal unterwegs. Dabei werden Neuigkeiten besprochen, die eigentlich gut sind, aber teils auch nicht. In Tübingen wird intuitiv, obwohl Wiedererkennen nach ca. 5 Jahren zunächst ausbleibt, der Kupferbau gefunden, ein Hörsaalgebäude, das frappante Ähnlichkeit mit dem Hörsaalgebäude in Marburg aufweist. Die anderen sind vorbildlich in der Mittagsvorlesung vom Karnath, und wir warten draußen in einer sehr brutzelnden Sonne. Dem schließt sich Essengehen an, und beim Symposium machen sämtliche Vortragenden eine extrem gute Figur. Abends nochmal Essen, schöne Bar, Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation (teils gelöst), Heimspaziergang durchs Mondlicht.

Sonnabend:
Ich gehe mit den anderen zum Neun-Uhr-Vortrag von Wallesch über seltene und wenig bekannte neurologische Störungen. Bereue keine Sekunde lang das frühe Aufstehen, freue mich vielmehr darüber, daß ich, teils durch intensives Oliver-Sacks-Studium, von den meisten Phänomen schonmal gehört habe. Wallesch trägt gut, unterhaltsam und launisch vor, es macht Spaß. Danach ein Kolloquium über die Zusammenarbeit von Neuropsychologen und Ärzten, von einem unhaltbar arroganten Arzt geleitet, der von Zeitmanagement mindestens ebenso wenig gehört haben konnte wie von wohlwollender Behandlung des in Scharen in den Saal strömenden Publikums. Wahrscheinlich war er sauer, daß sich die Menge an Pharmaindustrie-Werbegeschenken auf einem Neuropsycholgie-Kongreß arg in Grenzen hält. Anstrengend: die Heimfahrt, und das obwohl ich bereits die letzten Sparzügel über Bord werfend bis Bielefeld im ICE fahre. Aber das Ding: in Mannheim bereits brechend voll. In Frankfurt Flughafen steigen aber dermaßen viele Menschen ein, die, den Gepäckmengen nach zu urteilen, gerade von einer sehr langen, sehr weiten Reise mit nur sehr wenigen Waschgelegenheiten zurückgekommen sind. Der Zug ist bis Köln unhaltbar voll, danach gehts, aber es dauert. Und auf den letzten 50 Kilometern fährt das Ding noch eine Viertelstunde Verspätung wieder herein, die er vorher schonmal losgeworden war. Aber gut: weltbeste Vomzugabholerin, und alles wird gut.

Sonntag:
Ausschlafen.
Frühstück (!) mit Brötchen (!!) und Sonntagszeitung (!!!) - wie wunderbar. Und dann Spazierengehen auf der Ochsenwiese und durch den herbstlichen Wald, dabei unqualifizierte Auskünfte erteilend ("Aha, die Dame im orangene Anorak hat gesagt, das Blatt sei von einer Linde!") und später im Bauernhausmuseum unter Verweigerung der Eintrittzahlung Kaffeetrinken und Kuchen essen, mit leider anstrengenden Gesprächsfetzen von den unfreiwilligen Tischnachbarn. Später geriere ich mich als Versuchskaninchen fürs Kinder-DIPS* und scheine weder unter ADHS noch unter Angststörungen zu leiden bzw. gelitten zu haben, aber naja, wie valide sind schon retrospektive Befragungen? Der sich daran anschließende Tatort (Kiel - Wasser, kalt, schönes Wetter, hübsche Psychologin) zeichnet sich vor allem durch Putzigkeit aus. Draußen scheint ein warmer, heller Mond, es ist gar nicht kalt, morgen früh wird es neblig sein und später schön werden.

Das Abstract für mein Poster ist in der Zeitschrift für Neuropsychologie veröffentlich und ist mithin meine erste, anführbare, zählende Veröffentlichung als Erstautorin (und überhaupt).

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

UNQUALIFIZIERTE AUSKÜNFTE?!
Ich hatte natürlich recht!!