Sonntag, 18. Mai 2008

Hej, ich habe GABA dabei!

Alles über die Nervenzelle, und wo diverse Substanzen aller Art an ihr ihr Unwesen treiben. Damit habe ich mich am Wochenende beschäftigt, teils als Teilnehmerin, teils als Tutorin des Seminars "Wie Drogen und Psychopharmaka auf Hirnebene wirken." Immerhin habe ich am Freitag eine spontane Heiserkeit ausgebildet, die mich davor bewahrte, den Vortrag über die Nervenzelle selbst zu halten.

Geil, so ein Seminar für fast 60 Leute, im Hörsaal, der Chef referiert größtenteils, und alle, alle, sitzen mit gespitzten Ohren da und lassen sich kein Wort entgehen. Und dann diese Gruppenarbeiten! Gruppe 10 am ersten Tag bekommt die Aufgabe "Dichten Sie ein achtzeiliges Gedicht auf die Nervenzelle!" Gruppe 10 am zweiten Tag: "Stellen Sie die Wirkung von Alkohol auf das mesolimbische Belohnungssystem in einem kurzen Theaterstück dar!" Was sie taten: Der Mensch trinkt, der Alkohol denkt "cool hier, aber ein bißchen langweilig. Ich weck mal das GABA. Hej, GABA, runter vom Sofa, du mußt doch das Interneuron hemmen!" Das Interneuron, das bis dato das Dopamin fest im Griff hatte, läßt dieses frei, woraufhin das Dopamin zum Nucleus accumbens stürmt und diesen fest umarmt, der sich freut. Super!

Es gab ein paar schöne Worte, zum Beispiel Quisqualat. Habe leider vergessen, was das war. Außerdem: polytoxikoman. Das kann man sich denken. Dann all about Hustensaft - nur weil 1898 mal ein heroinhaltiger Hustensaft auf den Markt kam und es noch heute Hustenmittel mit Codein gibt. Verschmächtigung stellt m.E. ein wunderschönes Synonym für Atrophie dar. Wertvolle Hinweise gab eine Kleingruppe: Heroin kann auch in Kombination mit Crack eingenommen werden. LAAM, irgendwelche Medikamente, haben eine langsamere Wirkungsdauer... naja, LAAM eben. Zwischendurch bewies der Chef mangelhaftes Geschick beim unfallfreien Werfen mit Gummibärchentüten. Später, am Ende, dann die legendären Drogen & Psychopharmaka - Championships in den Disziplinen Neuro-Tabu, Pantomime und Wissenstest. Und das pantomimische Erklären von Synaptotagmin oder Axonhügel treibt einen schnell an die Grenzen. Was vom Publikum wirklich schnell identifiziert wurde, war GABA. GABA, eine quasi gamma-irgendwas-Buttersäure und sehr, sehr wichtiger Botenstoff, der allerdings meist oder sogar immer hemmend wirkt (d.h. eine aktivierte Nervenzelle, die GABA ausschüttet, hemmt ihre postsynaptischen Neurone), wird vom Chef als Pellkartoffel klassifiziert, und entsprechend bestand die Publikumsreaktion auf traurige, inaktive und sich-hängenlassende Gesichter immer in spontanen "GABA"-Rufen.

Ich war erstaunt, wieviel davon für mich in der Tat eher Wiederholung als Neustoff war. Das vormals heiß herbeigesehnte implizite Lernen direkt ins Langzeitgedächtnis scheint bei mir zu funktionieren, nur folgerichtig nicht auf Bestellung oder Wunsch, sondern nebenbei.

Und was noch war: Definitiv nicht GABA-induziert 1. dekadentes Fahrzeug 2. dekadent kurze Strecke 3. metadekadentöse Einigkeit mit dem Fahrzeugeigner und -führer über die Dekadenz des Tuns (und dazu Rainald Grebes 'Meine kleine Stadt'). Anschließendes sehr nettes, sehr kontemplatives Beisammensein im Café Berlin bei leckeren Speisen und Getränken. Es ist immer wieder interessant, Personen, von denen man schon viel hat reden hören, irgendwann persönlich kennenzulernen, und meistens wird man ja feststellen, daß die entsprechende Person total nett ist, wenn die andere Person, die dann quasi der gemeinsame Bekannte ist, ebenfalls total nett ist (HALO-Effekt). Aber durchaus nicht immer verlaufen solche Begegnungen so locker, ungezwungen und reibungslos wie gestern, und ich habe hier in Bielefeld schon lange nicht mehr einen so gelungenen, gesprächsinhaltsreichen, langen, fröhlichen und einvernehmlichen Abend erlebt. Da konnte selbst der Umstand, daß ich zum zweiten Mal ein Superstars-Finale mit sich an den Händen haltenden Protagonisten und zugekoksten Ex-Protagonisten und Frauke Ludowig ansah, den Abend nicht verderben. Im Gegenteil haben wir dieses Finalegucken ordentlich aufgemischt.

(Zehn Minuten vor Schluß führte Bielefeld noch auswärts gegen den amtierenden Meister Stuttgart einszunull. Aber ich sag noch, naja. Ein Spiel dauert 90 Minuten. Abwarten. Und dann fallen noch drei Tore. Immerhin, wenn auch, für die Saison betrachtet, ungerechtfertigt, schafft die Arminia trotzdem den Nichtabstieg.)

Ich habe eine Menge Lob gehört an diesem Wochenende, das war mal super und erfreut mein mesolimbisches Belohnungssystem. Ich habe eine Menge gelernt, das ist auch super. Ich hatte eine Menge Spaß.

Keine Kommentare: