Dienstag, 15. April 2008

Międzyzdroje - Impressionen

Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Bekleidung - also los! Das Wandern am Strand ist eine ziemlich kontemplative Geschichte. Die Monotonie gibt einem die Gelegenheit, über dies und das nachzugrübeln. Zum Beispiel über die Frage, wie es die doch offensichtlich leichtbekleideten Möwen den ganzen Tag auf den sturmumtosten Buhnen aushalten, ohne daß ihnen die nackten Füße abfrieren:

Ach, Steilküste! Heruntergestürzte Bäume versperren den Weg, und der lehmige Boden, der zum Strand hinunterrutscht, läßt einen auf Anhieb und ohne Vorwarnung bis zum Knie, ach, was rede ich! bis zum Hals und weiter unhaltbar einsinken. Dann ist es gut, wenn man nicht allein unterwegs ist, denn es ist der Frisur nicht zuträglich, wenn man sich ständig an den Haaren aus dem Lehmsumpf ziehen muß. Und überhaupt geht man nurmehr bis zur nächsten Ecke und nicht weiter.

Im Gegensatz zum Sommer ist die Ostsee im April weitgehend entvölkert. Nur hier und da kreuzt eine tote Scholle den Weg der einsamen Wanderer. Sie mahnen uns bei jedem Schritt. Doch was genau sie sagen, verhallt ungehört, bleibt dem Betrachter verborgen. Sind wir nicht alle etwas schollig?

Nicht mal die Möwen scherten sich um diesen Rufer in der Wasserwüste. Aber was gab es noch zu sehen? Zum Beispiel die Widerlegung dieses Ammenmärchens von der praktischen Gezeitenlosigkeit der Ostsee. Alles erstunken und erlogen! Sicherlich Bestandteil irgendeiner größer angelegten Verschwörungstheorie. Es ebbt und flutet, daß es nur so eine Freude ist. Hier ein Bild unseres Hotels oder was jetzt, nach der Flut, davon noch übrig ist. Leider hatten wir das Auto auch dort geparkt:

Leider hatten wir auch unsere Schuhe im Hotel gelassen. Aber das hält den ambitionierten Wanderer nicht davon ab, seine großen Ziele zu verfolgen. Bei gefühlten minus vier Grad Celsius Wassertemperatur läuft es sich auch recht flott.

Fußspuren machen immer irgendwie nachdenklich. Wer war der stolze Wanderer, der hier so selbstbewußt und aufrichtig durch den angefeuchteten Sand schritt? Was und wo war sein Ziel, und hat er es erreicht? Wußte es die Scholle? Mußte sie deshalb in der Blüte ihres scholligen Lebens dahinscheiden?
Naja, wahrscheinlich ist die Antwort so naheliegend wie banal: Der Fußspurenverursacher wollte nach langer Wanderung zurück nach Międzyzdroje und war im übrigen eine Frau.

Auch die schlimmste Sturmflut hat einmal ihr Ende. Nur das ein oder andere gestrandete U-Boot zeugt von den verzweifelten Szenen, die sich hier noch vor kurzer Zeit abgespielt haben mochten. Aber schon kitzeln zarte Sonnenstrahlen unsere blassen Städtergesichter. Gesichter, die in letzter Zeit nur Bücher und kalte Internetseiten gesehen haben.

[Und ja, es ist immer noch derselbe Strand!]
Friedvolle Stille breitet sich aus. Die Sonne kriecht in alle Körperregionen und verbreitet eine wohlige Wärme, die selbst angeschwemmten Holzstücken ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern scheint.

Doch wer möchte schon einem ewigen Grinser ausgesetzt sein? Bloß weg hier, bevor einen negative Gefühle übermannen. Soll er doch alleine weitergrinsen!

Tja, und wie krönt man einen 20-Kilometer-Gewaltmarsch durch knöcheltiefen Sand, über rundgeschliffene Steine, auf der Flucht vor Wildschweinen und wilden Hunden, immer bedroht vom Versinken in den ewigen Lehmgründen?


Klarer Fall: Man sitzt auf der handgezimmerten, windschiefen Terrasse des 5-Sterne-Fischlokals "Złota Wydma*" und verspeist eine gebratene Scholle. Voller Stolz blicken die Wanderer auf ihre gemeinsamen Großtaten zurück. Ein Film voller bunter Bilder spult sich ab: Sturmmöwen - Steilküste - die Gezeitenfrage - Ex-Scholle - kaltes Wasser, nackte Füße - Lamakopf - TUI-Reklamebild - Fischkutter, friedlich in der Sonne auf den nächsten Einsatz wartend.
Still essen die Wanderer ihre Scholle auf und spülen eventuell aufkommende Zweifel mit einem Schluck vergorenen Gerstensaftes runter. Nach dem ersten Glas wird die Stimmung etwas heiterer. Der Vanitas-Gedanke wandelt sich zu einem Sturm albernen Gelächters.

Bilanz:

Sonnenstunden (gefühlt): 145.
tote Schollen: 4
Wildschweine: 1 (nicht von allen Beteiligten gesehen)

* [goldene Düne]

[gemeinsam verfaßter Beitrag]

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ey moment mal, das sieht ja aus wie bei mir!

Anonym hat gesagt…

verdammich! was ist denn mit dem link passiert? also diesem hier:
http://vert.blogger.de/stories/1054034/ ?