Sonntag, 30. März 2008

Großes Lob an Hilmar Klute

Ich hab ja schon vor einiger Zeit ein paar launige Bemerkungen zur hysterischen Raucherhatz geschrieben, aber da es zu meinem idiosynkratischen, vorgestrigen Bierflasche-in-der-Straßenbahn-Erlebnis paßt, mache ich hiermit auf einen löblichen und unterhaltsamen Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung aufmerksam.

Zu Beginn tritt Klute einem sogenannten Raucherklub bei, eine in Bayern weit verbreitete Einrichtung, um in Kneipen weiterhin das Rauchen zu ermöglichen. Er sitzt nun also im Qualm und freut sich, und das einzige, das ihm die Freude ein wenig verdirbt, ist die Tatsache, daß er seit sieben Jahren nicht mehr raucht. [Er befindet sich also in einer ähnlichen Lage wie ich.]



Ja, ich habe aufgehört, und viele meiner Freunde rauchen eben weiter. Soll ich jedes Mal alleine am Tisch sitzen bleiben, wenn sie Bic-Feuerzeug, Benson und Hedges schnappen und vor die Tür rennen? Ich bleibe jedes Mal zurück und mit mir das Misstrauen: Raucher bilden jetzt vor den Eingängen der Kneipen und Bars Parallelgesellschaften, da kommst du als Asket nicht rein. Sie machen sich lustig über dich und beim Lachen stoßen sie Rauchschwaden aus, als säße der Teufel in ihren Nasen.

Der Raucherclub ist die einzige Sozialstation für jene Nichtraucher, die den Kontakt zu rauchenden Freunden nicht abbrechen wollen. Durch das Nichtraucherschutzgesetz habe ich wieder ein bisschen Angst um meine Gesundheit bekommen, weil ich mich nur noch in verquarzten Räumen aufhalte. Jeden Abend Geschlossene Gesellschaft mitten in der Bundesrepublik - was ist bitte schiefgelaufen?


Neulich, als ich Gäste hatte, mit denen das Ende der Prüfungen und des Semesters begangen wurde, unter launigem Geplauder über Sartre und Beauvoir [der Inhalt diesen Gesprächs kann anderswo nachgelesen werden] sowie Beteiligung einiger Flaschen Rotwein - ergab sich jedenfalls die kuriose Situation, daß die anwesende Raucherin sowie der gelegentlich zum gemütlichen Tabakkonsum neigende Konfident unter keinen Umständen zu bewegen waren, einfach im Zimmer zu rauchen statt auf den Balkon zu gehen (und an jenem Abend war es noch empfindlich kalt draußen!). Es halfen auch keine energischen Hinweise darauf, daß der Rockstar während seiner gelegentlichen Anwesenheiten die Bude vollzuquarzen pflegt, als wenn es einen Preis zu gewinnen gilt, und es mich daher ein Lächeln und ein geöffnetes Fenster kostet, die Folgen von zwei bis fünf Zigaretten binnen kürzester Zeit auszulüften.


Bleibt natürlich das tatsächlich ernstzunehmende Argument der Gesundheitsschäden durch Passivrauchen sowie das subjektive Gefühl von Belästigung. Niemand kann Vorschriften darüber erlassen, wovon man sich belästigt fühle und wovon nicht. Es ist also sehr begrüßenswert, daß in Behörden, Schulen, Bahnhöfen und dergleichen nicht mehr geraucht wird. Genauso begrüße ich das Erscheinen eines neuen Typus des Rauchers, der höflich und rücksichtsvoll seinen Rauchwunsch dem unterstellten Nichtbelästigungswunsch des Nichtrauchers unterordnet und entsprechend nicht während des Essens, in Gegenwart kleiner Kinder oder Schwangerer oder im eigenen Auto raucht, ohne ein großes Theater aufzuführen. Wenn mehr Raucher viel früher so agiert hätten, wäre uns vielleicht ein Teil der Hysterie erspart geblieben. Aber zurück zum Text.


[Schön übrigens, wie Klute Karl Popper heranzieht.]


Und es geht ja weiter: Beim Essen wird man ja auch bereits gegängelt, was das Zeug hält. Deshalb hat die Bundesregierung einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Fettleibigkeit vorgelegt, so wie früher preußische Generäle Schlachtpläne zur Vertreibung der Österreicher. Horst Seehofer rückte dutschkehaft mit dem "Aktionsplan Ernährung" raus. Bald wird man in Gaststätten nichts mehr essen dürfen. Mag sein, dass es in einer Übergangsfrist in manchen Wirtshäusern noch Fettecken gibt, in denen Unbelehrbare hinter einem Sichtschutz Entenbrust verschlingen. Gern gesehen wird es aber nicht.

Meiner Meinung nach sollte man, bevor man für vorgeblich gesundheitsförderndes Verhalten Lanzen bricht, erstmal klären, was man unter Gesundheit überhaupt versteht und zudem, welche Maßnahmen und Verhaltensweisen tatsächlich gesundheitsfördernd sind. Ein Beispiel sei die vor kurzem durch Auswertung von Längsschnittstudien gewonnene Erkenntnis, daß gar nicht die schlanken Menschen mit dem hochgejubelten Idealgewicht länger leben, sondern die Schlawiner, die jedes Jahr etwas zunehmen, also im Laufe der Zeit ein profundes, wenn auch nicht adipöses Übergewicht entwickeln. Ein anderes Beispiel sei die gebetsmühlenartig wiederholte Empfehlung unter anderem der obersten deutschen Ernährungsempfehlungsbehörde, fünfmal täglich Obst und Gemüse zu essen, um Krebs vorzubeugen, obwohl es noch keiner Studie gelungen ist, einen Zusammenhang zwischen erfolgreicher Krebsprävention und Obst/Gemüsekonsum nachzuweisen. Völlig ungeklärt bleibt übrigens die Frage, was für eine Gesellschaft wir eigentlich vorstellen werden mit lauter durchtrainierten, kerngesunden Greisen, die sich zu Tode langweilen in einer Welt gesellschaftlich verordneter Askese ohne stimulierende oder beruhigende Substanzen, ohne den Nervenkitzel von Extremsportarten und ohne die Aufregungen, die doch so ein zivilisiertes Leben mit sich bringen könnte.


Als ich noch klein war und auf der anderen, vorgeblich unfreien Seite des Eisernen Vorhangs aufwuchs, hörten wir im Radio immer RIAS 2 [Radio Im Amerikanischen Sektor], weil dieser, wie im nachhinein feststellbar, Hetzsender aufgrund starker Sendeanlagen in unseren Transistorgeräten weit am besten empfangbar war und zudem bessere, aktuellere, angesagtere Rockmusik spielte. Zur vollen Stunde, vor den Nachrichten, ertönte immer so ein Gong (damals wurden Radionachrichten noch nicht mit Jingles eingeleitet und unterlegt), und dann sprach der immer selbe Mann die Worte:


Hier spricht RIAS Berlin.
Eine freie Stimme in einer freien Welt.


Das war das Hauptmerkmal dieser Welt hinter jenem Vorhang. So viel mir auch gegen den Strich geht und ging, aber für mich, als Individuum, als Staatsbürger, ist das ein freies Land, dessen Bürger für sich auch das Recht haben, unvernünftig zu sein, bescheuerte Entscheidungen zu treffen und niemandem Rechenschaft schuldig zu sein.

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