Sonntag, 24. Juni 2007

Links wo das Herz schlägt

Weil man ja nicht nur den ganzen Tag lang mit Wahrscheinlichkeitsfragebögen oder der Moralentwicklung nach Kohlberg befaßt sein kann, debattieren wir hier mal über "Links". Linkssein ist hier wie atmen oder gute Musik hören oder sich für sein Studienfach interessieren: Wer's nicht macht, wirkt irgendwie befremdlich. Mit solchen Leuten verkehrt man eher nicht. Das heißt ja zum Glück nicht, daß ausschließlich völlig gleichgeschaltete Personen am immer gleichen Punkt in der Debatte die immer gleiche Hand heben (die rechte) und den immer gleichen Text abspulen. Im Gegenteil herrscht fröhliche Meinungsvielfalt bei wichtigen Themen wie Studiengebühren oder Anforderungen an neue Professoren oder was machen wir mit Geld, das wir im Prinzip gar nicht haben? Aber wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt, dann den: Links muß es sein! Und das schöne am Linkssein ist ja, daß es DAS Linkssein gar nicht gibt. Ich persönlich würde damit vielleicht ein paar gemeinsame Grundeinstellungen assoziieren, zum Beispiel: Daß alle gleich behandelt werden sollen. Daß Grundrechte für alle gelten. Daß die Individuen, die zusammen eine Gemeinschaft bilden, füreinander verantwortlich sind. Daß man die Erde nicht als "Gottes Schöpfung" bezeichnen muß, um sie als schützenswert einzustufen. Daß man die Verantwortung fürs eigene Handeln nicht ins Verantwortungsdiffusionsnirwana abschieben kann (á la "das machen doch alle"). Daß man überhaupt eigene Verantwortung anerkennt, statt immer nach Schuldigen und Bösewichten zu suchen. Daß man zuhört. Daß man informiert ist. Ja, es ist nicht immer leicht, links zu sein. Aber schön!
Auf das Thema kam ich heute nach einer netten Unterhaltung über das bedingungslose Grundeinkommen. Sogar Herr Althaus, der ja nicht gerade für seine Mitgliedschaft in der Linkspartei bekannt ist, hat bereits ausgerechnet, daß netto, also nach Berücksichtigung all der Verwaltungskosten, eine Grundsicherung weniger kosten würde als der derzeitige Transferleistungsdschungel. Das pfeifen ja schon die Spatzen von den Dächern. Viel wichtiger als die Frage, ob man schlußendlich Geld einsparte, erscheint mir allerdings die Diskussion der Würde. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich unter Darlegung meiner sämtlichen privaten Daten und unter entsprechender Begründung meiner Arbeitslosigkeit Hartz IV beantrage, oder ob ich zum Amt spaziere, um das mir zustehende monatliche Grundeinkommen abzuholen - schon allein deswegen, weil letzteres schneller geht und ich den Rest des Tages, ach was! des Monats, mit sinnigerem Zeug verbringen kann statt mit dem Anfertigen von fiktiven Bewerbungen. Mit einem Psychologiestudium beispielsweise. Oder ich schließe mich ein und lese endlich mal ALLE zehn Romane von Maj Sjöwall und Per Wahlöö am Stück. Oder höre im Selbstversuch dieses Lied von Dieter Bohlen und Mark Medlock, bis ich brechen muß. Obwohl, das dauert wahrscheinlich nicht so lange. Falls jemand argumentiert, daß ohne entsprechende (finanzielle) Motivation die Menschen gar nichts mehr machen würden, würde ich antworten: das ist auch ganz richtig so! Ich hoffe inständig, daß es nur deswegen Menschen gibt, die einer entsprechend würdefreien Tätigkeit bei [...]* nachgehen, weil sie auf das Geld angewiesen sind! Wenn niemand mehr auf derartige (und da gibt es ja noch viel schlimmere!) Jobs angewiesen wäre, würden sich die Unternehmen eventuell dazu bequemen, die Arbeitsplätze in bezug auf Würde und Verdienst etwas attraktiver zu gestalten.
Fazit: Links ist cool. (Nicht nur bei der Händigkeit!) Ich betrachte es als sehr glücklichen Umstand, hier in so einem linken Umfeld gelandet zu sein. All diese Selbstverständlichkeiten! Fair-Trade Kaffee. Photovoltaik auf dem Dach. Gleichstellung, daß es manchmal fast wehtut.
*hier bitte Unternehmen der Wahl einsetzen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jaha! Support your local breweries!

Das bedingungslose Grundeinkommen ist so ne Sache. Zustimmung erfährt der dm - Chef nicht von mir, wenn er sagt: "Gebt den Leuten Geld und sie werden etwas Gutes damit tun." Das glaube ich nicht. Dafür gibt es zu viele - naja - Leute, die das eben nicht machen. Im Vergleich zu vielen anderen ist hier ja noch extrem viel Kohle vorhanden, mit dem auch schon nicht immer nur Gutes getan wird. Schwieriges Feld.

sonne hat gesagt…

Naaa gut, die lokalen Brauereien würde ich zumindest in dieser Gegend hier nicht noch unterstützen wollen - die treiben so schon genug Unfug. Daß es Personen geben wird, die ihr bedingungsloses Einkommen hemmungslos versaufen werden, wird man nicht verhindern können. Aber die tun doch jetzt auch nichts anderes.
Im Prinzip kann man natürlich nicht sagen, wie die Menschen sein werden, wenn sie für ihren Lebensunterhalt nicht ihre Arbeitskraft verkaufen und gleichzeitig nicht auf Ämtern betteln gehen müßten. Es ist nur aberwitzig, mit wieviel Energie man derzeit genau das verhindert, trotz offenkundig höherer Kosten und höheren Aufwandes. Da steckt doch was dahinter?

Anonym hat gesagt…

ganz ehrlich:

der Abschnitt war eher so gedacht: ich schreib mal was Witziges mit den Brauereien und danach kommt ein ernsthaft angedachter Gang von Gedanken zum Grundeinkommen. Dass das nicht gut gelungen ist, sehe ich jetzt auch.

Ich wollte nicht sagen: Grundeinkommen würde generell versoffen. So platt denke dann doch sogar ich nicht. Nada. Auf gar keinen Fall.

Nur denke ich, dass die Gleichung: gebt den Leuten Geld und sie werden Unglaubliches auf dem kulturellen Sektor und in ehrenamtlichen Bereichen schaffen! nicht aufgehen wird...