Der Johannes hat da in seinem Blog was über G8 und die Gegenbewegungen und seine Verurteilungen bestimmter Aspekte dessen geschrieben. Nachdem ich mich schon in der Uni-Halle um Kopf und Kragen geredet habe, will ich das hier nochmal in vielleicht reflektierter Form und schriftlich wiederholen.
Einmal: Gegen Unrecht aufstehen und sachlich-argumentativ dagegen angehen? Das interessiert vielleicht Fachleute, die das Feuilleton der FAZ füllen müssen. Es ist natürlich an sich und begleitend notwendig, schon um eine gewisse Nachhaltigkeit des Protestes zu gewährleisten. (Daran krankte meiner Meinung nach der Studierendenstreik 1997.) Wenn sich aber die Gegenseite in Form der acht wichtigsten Regierungen der Welt provokativ als Gruppe inszeniert, um Konvolute zu verabschieden, die ohnehin auf den üblichen Wegen bereits monate- oder jahrelang vorher ausgeklüngelt wurden, dann darf auch der allgemeine, linke, undifferenzierte, uneinige und unterschiedlich motivierte Widerstand im Gastgeberland plakativ-populistische Aktionen starten, um allgemeines Mißfallen auszudrücken. Es ist ja keineswegs ausgemacht, daß Personen sich für überzeugender halten, weil sie Steine schmeißen, oder daß sie Steine schmeißen, weil sie sich dann für überzeugender halten. Bei derartigen Veranstaltungen werfen Personen Steine, weil sie sich bedroht, erniedrigt und eingeschüchtert fühlen; weil es eine klare Grenze zwischen "denen" (Polizei, BGS, ziemlich bewaffnet, Informationsmacht) und "uns" (plötzliche Eigengruppe, relativ unbewaffnet, schlechter informiert) gibt. Klar gibts immer Leute, die extra des Steineschmeißens wegen anreisen, oder dafür sorgen, daß die Situation eskaliert. Aber das man derlei Grüppchen gewachsen sein kann, wenn es denn dafür auf beiden Seiten Interessenten gibt, zeigen die inzwischen beinahe langweilig gewordenen Maiveranstaltungen der letzten Jahre in Berlin. Insgesamt begrüße ich jede lebendige Ausdrucksform linker Kulturen, auch wenn sie untereinander nicht besonders kongruent sind und nach außen manchmal inkonsistent in ihren Äußerungen. Links ist eben auch vielfältig, bunt, widersprüchlich - hoffentlich ohne Parteilinie und Gedankenkäfige. Es sollte auch Klappe aufreißen und rumpöbeln bedeuten, statt immer nur in gepflegt zerrissenen Hosen zum Debattenzirkel zu erscheinen. Es sollte auch einfach mal Spaß machen, links zu sein. Es sollte die Linken zusammenbringen, daß die Großen der Welt sich in Heiligendamm einigeln müssen, statt Arm in Arm übern Kudamm zu tingeln. Es sollte die Linken freuen, daß sie mal ihre teils albernen Streitereien über die letzten Erkenntnisse Hegels und Trotzkis beilegen können, weil Aktualität gefragt ist. OK, der ist jetzt auch populistisch, aber schlußendlich: Wie solls denn sonst aussehen? Ein rastazopfiger Mittelstandssohn wird mit GWB eher keine gemeinsame Basis zur Diskussion der Frage der Zulässigkeit von G8 finden. Selbst wenn es zu solch einer Debatte käme, würde ich stark anzweifeln, daß sie irgendeine Art von Ergebnis vorweisen könnte. Ich kann mir nur unter ganz, ganz günstigen Momenten, inklusive Erdbeben und plötzlichen Auftauchens von Aliens, vorstellen, daß die US-amerikanische Regierung vor einer Handvoll hühnergötterwerfender Gymnasiasten einknickt.
Also: Ja zu allen unsinnigen, dämlichen, fehlmotivierten, schwer erklärbaren und inhaltsleeren Aktionen! Ja auch zu Überflüssigkeiten wie einem G8-ichwardabei-Sampler und entsprechendem Merchandising! Die bürgerliche Umwelt wird schließlich geprimt, wenn ansonsten ernstzunehmende Personen sich öffentlich mit G8-Protest solidarisieren. Umwelt-als-Information - wenn die alle so einen Button tragen, muß ja was dran sein...
Um mal ein ernsthaftes Beispiel zu bringen: Diese halbe Million Menschen, die am 4. November 1989 auf dem Ostberliner Alexanderplatz fror, und Angst hatte, daß geschossen werden würde, wie auf dem Tiananmen im gleichen Jahr, und den Reden diverser Intellektueller lauschte, war sich ganz sicher nicht einig, was die Fragen sowohl der öffentlichen als auch der privaten Zukunft in der DDR anging. Das können ja nicht alles Hardcore-Dissidenten gewesen sein. Sie waren sich aber gewiß einig in der Ansicht, daß etwas DEMONSTRIERT werden muß. Daß sie ein Zeichen setzen. Daß keine Macht der Welt diesen Moment, diesen Abend wieder ungeschehen machen kann. Natürlich bleibt die Ironie, daß wahrscheinlich niemand von den damaligen Demonstranten mit dem Verlauf der Wende zufrieden sein konnte.
[Studierendenstreik 1997 - hat infolge fehlender inhaltlicher Unterfütterung keine nachhaltigen Ziele erreichen können, jedenfalls nicht bei mir - ich weiß nicht mal mehr, worum es ging. War aber damals eine extrem langanhaltende, beeindruckende Protestveranstaltung.]
[Stimmung-als-Information - ich bin guter Laune, also geht es mir gut, also scheine ich mich gerade in einer wohlgesonnenen, freundlichen Umwelt oder Situation zu befinden.]
[Hühnergötter - Ostseesteine mit Loch.]
[Tiananmen - Platz des Himmlischen Friedens in Peking]
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