Montag, 9. November 2009

20 Jahre

Ich verzichte auf das Vergnügen, im berliner Nieselregen den Mauerfallfeierlichkeiten beizuwohnen.

"Wir wolln doch bloß drühm zwee Stunden spazieren und ma kieken. Wir komm'doch wieda, soll'n wir da uff der Straße pennen oder wie? Wollt ihr uns vaarschen?" - Wenn der Berliner erstma vaärgert is, dann läßta nich mehr mit sich spaßen. Und steht dann ehmt ooch stundenlang am trostlosen Grenzübergang Bornholmer Straße und wartet, daß die Grenzbeamten auch endlich erfahren, daß sich Herr Schabowski ein wenig versprochen hat.

In den unbewegten Gesichtern der Grenzer ahnt man das grenzenlose Staunen über das unversehens wahrgewordene Undenkbare. Die Massen, die immer, wenn auch unsichtbar, auf der einen Seite zu ahnen waren, überqueren die Grenze, gehen durch das Tor, der Schlagbaum wird weggemacht, damit mehr durchpassen, denn alle, alle wollen durch. Die meisten kommen wieder. Wollten ja nur ma kieken.

Auch wenns komisch klingt, aber für mich ist das immer die Nacht geblieben, in der ich erwachsen wurde. Alle, alle Erwachsenen, die mir bis zu diesem Tage was über richtig und falsch, über gut und böse und über den Zweck des antifaschistischen Schutzwalls erzählen wollten, hatten offensichtlich geflunkert. Schließlich haben ja nicht die faschistischen Bürger Westberlins an die Mauer getrommelt. Ab da hatten es die Lehrer schwer mit der Glaubwürdigkeit und mit der Autorität, aber da die Veränderungen rapide auf allen Ebenen wirkten - ganze Familien reisten aus und verschwanden gen Westen, darunter auch Funktionäre und ehemalige Speichellecker - gab es keinen Halt mehr. Wenn man in der eigenen Familie nicht gerade geborgen war, stand man blöd da mit seinem zwölf Jahre alten Wissen von der Welt.

Ein sehr schönes Video zeigt in überraschend guter Qualität die Ereignisse an der Bornholmer Straße. Für den Fall, daß es verboten ist, das Video zu verlinken, erkläre ich meine völlige Ahnungslosigkeit über die Rechte an dem Video und behaupte, daß es sich um ein wertvolles Dokument der Zeitgeschichte handelt, daß der staunenden Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden darf.

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