Mittwoch, 7. Oktober 2009

Etwas über Zeit und vielleicht Raum

Als ich vor drei Jahren in dieses ostwestfälische Kleinod zog, um endlich mal was vernünftiges mit mir und meinen spezifischen Begabungen und Interessen anzufangen, kamen mir die mindestens zu erwartenden vierkommafünf Jahre utopisch lang vor. Schließlich wohnte ich damals gerade mal wieder seit zwei Jahren in Friedrichshain und hatte mich dort gut eingerichtet.

Jetzt also, drei Jahre später, also länger abwesend als zuvor anwesend gewesen, tja - was soll ich sagen? Beschränkt auf die Entfernungen in einer Kleinstadt, abgespeist mit dem konsumentären Angebot einer besseren Kreisstadt und mit dem Studium zufrieden wie Bolle läßt es sich schwer über wirkliche Lebensunzufriedenheiten beklagen. (Neuerdings habe ich mir mit einer kofinanzierten Bahncard 50 auch das Planungsgebot bei Heimreisen abgeschafft. Es wird gefahren, wenn ich das will, und nicht, wenn die Bahn einen Zug feilbietet, der bezahlbar ist.) Man sagt ja immer so schön, die Zeit sei "wie im Flug vergangen", aber für mich stimmt der Spruch aus zwei voneinander unabhängigen Gründen nicht: erstens fliege ich nicht besonders gern, und da die von mir benutzten Flugzeuge in aller Regel komische Geräusche absondern, vor dem Landen noch einmal durchstarten oder sich gleich während des gesamten Fluges von allerlei Turbulenzen durchschütteln lassen, ist mir noch kein Flug kurz vorgekommen. Und zweitens WAREN die drei Jahre nicht kurz. Es waren verdammte zehn Prüfungen bislang (mit Scheinen fange ich gleich gar nicht an!), die einem das Leben kurz machen können und mit denen man jeweils so sehr lebt, daß es nichts anderes mehr gibt, und man denkt immer nur an das Hinterher. Das ist wahrscheinlich das Gefühl, das einem im Erinnern die Zeit verkürzt. (Oder, wie es die Architekturstudenten in meiner Bekanntschaft ausdrückten: Nach der Abgabe ist vor der Abgabe.) D.h. wenn du ernsthaft Psychologie studierst, bist du immer im Dienst. Nicht, weil du, wie gerne immer unterstellt, in deiner Freizeit Menschen analysierst. Abgesehen davon, daß wir DAS im Studium leider bzw. ZUM GLÜCK nicht lernen, hat man dafür auf jeden Fall überhaupt keine Zeit, weil das Studium eine anspruchsvolle Dame ist: Sie will immer beachtet sein, und dabeisein sowieso, und duldet keine Analysanden als Göttinnen neben sich.

Komisch, man könnte meinen, ich habe mich an Bielefeld gewöhnt und hier mein Glück gefunden. Einerseits: ja, und zwar erheblich, und mehreren Ausprägungen. Andererseits: ja, aber das muß woandershin getragen werden. In eine schöne Wohnung in Berlin. In ein Backsteinhäuschen an der Ostsee (Mecklenburger Seen zählen notfalls auch, bzw. Ostseenähe). In eine vernünftige Tätigkeit hinein vor allem. Dann können auch noch mehr als drei Jahre kommen und wieder gehen, wenn man dafür mehr Raum hat für das, was man dann kann!

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