Dienstag, 1. September 2009

adé

Nun habe ich es verpaßt, mir noch schnell ein paar 100-Watt-Glühlampen zu kaufen, oder ein paar mattierte 60er: hell, aber nicht grell. Wieder einmal wird mir im privatesten Raum auf unsinnigste Weise die Verantwortung für Klimawandel und Polkappenabschmelzen übergeben, während draußen auf dem Ostwestfalendamm alle paar Minuten einer dieser riesenhaften, für Ein-Kind-Familien offenbar unumgänglichen Geländewagen (wie haben die DDR-Eltern eigentlich ihre zwei bis drei Kinder in den Trabi bekommen, falls sie einen hatten?) über die Brückennaht springt.

Was passiert eigentlich?

Natürlich erstmal was Gutes. Die böse, durstige und kurzlebige Glühbirne muß weg. Aufatmen können Eisbär und Feldhamster. Der böswillige, träge und unumgewöhnbare Mensch will aber nicht verzichten und mit der Energiesparlampe fremdgehen. Er ist treu, zumindest seiner geliebten Glühlampe. Sie ist warm, hat eine gute Figur und ist immer sehr schnell bereit. Die Energiesparlampe ist fast direkt meist häßlich anzusehen; darüber hinaus zickt sie lange rum und verbreitet dann ein kühles Licht, das sie wenig anziehend macht. Freilich, im Verbrauch ist sie genügsam, doch wohl nur dort, wo man sie lange (r)anläßt. Häufiges Aus- und Anmachen entschuldigt sie ebensowenig wie die gewohnte Entsorgung im Hausmüll. Auch nach dem Leben noch besteht die Diva auf einer Sonderver/entsorgung, und wie der Mensch so ist, kann man sich ja vorstellen, wie genau er sich dran halten wird.

Sieht also doch nicht nur gut aus, wie? Vielleicht haben sich die Energiesparlampen zusammengerottet und ein Komplott gebildet, um die beliebte Glühbirne dem Menschen endlich abspenstig zu machen und endlich ihre Schrullen ungestört und ohne die unliebsame, anschmiegsame Konkurrenz ausleben zu können.

Was sind nochmal die Argumente? (Ich bin prinzipiell zu faul, irgendwelche Zahlen anzuführen. Interessierte können z.B. auf wikipedia nachlesen.)

Verbrauch: Ja, die Glühbirne verbraucht mehr. Wenn sie hängt und leuchtet. In der Entwicklung (quasi nicht mehr nötig) und in der Herstellung ist sie wesentlich unaufwendiger und ungiftiger.
Lebensdauer: Ja, die Energiesparlampen leben länger, allerdings längst nicht soviel länger, wie es immer behauptet wird. Im normalen Privathaushaltverbrauch lebt sie grad zwei- bis dreimal solang; das ist, bemessen am Preis, nicht besonders berühmt.

Das wars mit den Pro-Energiesparlampen.

Was spricht - für Privatleute - eigentlich dagegen?

Lichtfarbe: Das häufigste Argument seit vielen Jahren ist die ungetreue Lichtfarbe und daraus resultierend Farbwiedergabe. Begeisterte Befürworter gehen da immer mit so einem patzigen Bah! drüber, als würde die Lichtfarbe, wenn man sich erstmal dran gewöhnt hat, überhaupt eine Rolle spielen! (Als Beispiel auf geo.de wird Spinat, der nicht mehr richtig grün sei, angeführt, und was daran denn nun mal so schlimm sei.) Falls ich mit unkorrekt wiedergegebenen Gemüsefarben evtl. die Welt vor dem Klimakollaps, dem Ansteigen der Meere und dem Versinken Hollands und Dänemarks retten könnte, würde ich wirklich sofort und militant alle mir täglich begegnenden Glühbirnen gegen blaublütige Energielampen tauschen.

Schwermetall: Die Energiesparlampe gehört nicht in den Hausmüll. Aber Hand aufs Herz, liebe Leser: Wie oft seid ihr schon zum nächstgelegenen Müllhof gefahren und habt eure Sparlampe fachgerecht entsorgt? Natürlich nicht mit dem Auto - das würde wahrscheinlich mehr Dreck machen, als mit den Lampen eingespart wurde. Außerdem wird Quecksilber wohl gerade für alle möglichen Benutzungen aus dem Verkehr gezogen und verboten. Bloß die kleine liebe Sparlampe, da sind ja auch nur paar Milligramm drin, im Thermometer wars ein ganzes Gramm (bloß glaub ich, daß man ein ganzes Stück mehr Lampen als Thermometer im Haus hat), und weil die eben fachgerecht sonderentsorgt wird, passiert da ja nix.

Umwelt: Da ja der böse, faule Mensch (siehe oben) nicht von alleine auf sein Glück mit der Energiesparlampe kommt und lieber fortfährt, die Polkappen mithilfe der Glühbirne abzuschmelzen, muß man ihm das Spielzeug eben wegnehmen. So! Im Kommunismus mußte man die Leute auch erst zu ihrem Glück zwingen, und im Antikommunismus erst recht. Daß man in der Umweltpolitik da noch nicht früher drauf gekommen ist, wundert mich eigentlich. Ich hätte da noch ein paar mehr Vorschläge:

Verbot von Fahrzeugen mit einem Verbrauch von mehr als 10 Litern je 100 Kilometern
Flächendeckendes Tempolimit auf den Autobahnen
Abschaffung von Pendlerpauschalen
Strafgebühren für von weit herbeigeschafften Produkten (Grundnahrungsmittel), die auch in der jeweiligen Region produziert werden (z.B. Milch, Butter, Mineralwasser); gilt auch für den Biomarkt (warum gibt es in den berliner Bioläden Andechser Bioprodukte zu kaufen? Werden die mit dem Fahrrad dahingefahren?)
Abschaffung der Steuerfreiheit von Kerosin und Verbot von Flügen unter 1000 Kilometern (oder jede andere Zahl - diese ist beliebig gewählt) - warum muß man von Berlin nach Hamburg fliegen können? Selbst Frankfurt und sogar München sind albern - außer man hat die Termine jeweils direkt am Flughafen. Jeder gesparte Flug zwischen Hamburg und Berlin hat wahrscheinlich ein Umweltschutzpotential von 1 Million normal genutzen Glühbirnen.

Ich will gar nicht mir Lobbys anfangen. Aber warum ich mich ausgerechnet wegen meiner altmodischen Glühbirnen schlecht fühlen soll, verstehe ich nicht. Hat noch jemand ein paar 100er ergattert?

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