Hier gibt es ja einige Städtchen, die miteinander um den tollsten Namen ringen, wobei sich das Spektakel für unostwestfälisch-Außenstehende teils grotesk aufführt. Neben Löhne, Bünde und Bad Salzuflen drängt sich dem unparteiischen Beobachter der sonst unauffällige Kurort Bad Oeynhausen ins Gemüt. Gleichermaßen grotesk die Bewohner der Stadt, deren Anblick es fertigbrachte, mich drei Tage lang nach Schwedt/Oder und am vierten Tage gar ins weiter entfernte Kangasniemi versetzt zu fühlen. Aber der Reihe nach.
Das Bad hat wohl heuristisch zusammengetragenen Informationen zufolge an die 60000 Einwohner, zu denen im Schnitt noch um die 35000 Kurgäste dazukommen. Es handelt sich also für mein brandenburgisch empfindendes Stadtgefühl um eine große Stadt mit einem großen Auftrag. Je zwei Einwohner pflegen, versorgen, fahren, unterhalten oder kurieren eine/n Kurgast/in. Wenn man vom Bahnhof mit dem Bus, falls der Busfahrer auch eintrifft bzw. die entsprechende Bushaltestelle findet, zwei Stationen weit fährt, kommt man an das Einkaufszentrum Werrepark, das mich, ich erwähnte es bereits, an den Oderpark in Schwedt/Oder erinnerte, whyalsoever. Lustigerweise vermittelte mir auch die faul und teils zeternd durch das Einkaufszentrum marodierende provinzielle Ureinwohnerschaft, möglicherweise durch dysfunktionale Umständlichkeit begünstigt, ein Feeling East, an dem nichts heimatliches, vertrautes, vielmehr viel schauriges und nicht-mehr-daran-erinnert-werden-wollen war.
Aber das idiosynkratische Erlebnis schlechthin hatte ich am Sonnabendmorgen im Bus. Are we crazy for taking the bus hat mal irgendjemand gesungen, das weiß ich aus einer Max-Goldt-Story mit von-Bus-zu-Bus-Umsteigen-Gehalt, aber wer das gesungen hat und warum, weiß ich nicht. Jedenfalls murmelte ich diese Zeile wie ein Mantra, aber unhörbar vor mich hin, während sich um mich herum das Gruselkabinett der vorgeblichen Erholungsstadt Bad O. versammelte. An den pflichtbewußten Alkoholiker mit seiner Gehbank und dem noch leeren, sorgfältig zusammengefalteten Einkaufsbeutel im Korb derselben, der offensichtlich jeden Morgen um elf mit dem Bus in den Werrepark fährt, hatte ich mich an den vorhergehenden drei Morgen gewöhnen können. Er stank auch nur mäßig. Sonnabendmorgen fährt schonmal ein anderer Bus mit mehr Platz für Kinderwägen und Gehbänke. Mehrere Personen versorgten die knappe Luft mit Gerüchen, die einem vormaligen Leichenschauhaus in der Präkühltechnikära sicherlich zur Ehre gereicht hätten. Ich vermied also das Atmen und verfluchte mich für meine Bequemlichkeit, nicht schon um zehn mit der Kollegin im Westfex* zu fahren und vom Bahnhof aus zu laufen, gleichzeitig dachte ich Are we crazy for taking the Bus, und Max Goldt beschwerte sich nur darüber, daß er von einem Bus in den anderen umsteigen mußte! Meine Lektion war gelernt: nicht am Sonnabend in einer Kurstadt in Richtung Einkaufszentrum fahren! Mann!
Und warum Kangasniemi? Das ist zwar meines Wissens nach kein Kurort gewesen, aber komische Ureinwohner schlurften dort auch zwischen den Supermarktregalen herum. Gebrechen aller Art wurden zur Schau gestellt, und so mancher Finne dünstete riechende Substanzen aus. Wie in einem Kuriositätenkabinett fühlten wir uns da. And so I did in Bad O.
* [Westfex = eigenkreationierte Abkürzung für Westfalenexpreß; einmal stündlich verkehrender Regionalexpreß zwischen Minden (Westfalen) und Düsseldorf bzw. Dortmund. Der andere RE, mit dem ich fuhr, ist ein niedersächsischer mit der Destination Braunschweig.]
1 Kommentar:
You Are Crazy for Taking the Bus
Kommentar veröffentlichen