Donnerstag, 5. Juli 2007

Studiengebühren: "Diskutieren" kommt von "Zerschneiden"

Das Studiengebührenthema sollte meiner Meinung nach von zwei Seiten beleuchtet werden, und eventuelle Aktionen für oder gegen Studiengebühren sollten sich an diesen unterschiedlichen Aspekten orientieren. Aspekt Nr.1 ist der allgemeine, bundesweite und gesellschaftliche Standpunkt, Aspekt Nr.2 ist die derzeitige Lage an der Universität Bielefeld, die sich im Land Nordrhein-Westfalen befindet, wo es seit einiger Zeit ein sogenanntes Hochschulfreiheitsgesetz gibt, dem die Bielefelder Uni genau wie alle anderen Hochschulen in NRW unterworfen ist.
Ich stelle hier nur meinen eigenen Standpunkt dar.
1.: Bildung ist Allgemeingut, und vom Staat oder der Gesellschaft bereitgestellte Bildung sollte zum Ziel haben, für Kinder aus jeder Schicht und allen denkbaren Verhältnissen vergleichsweise gleiche Bildungsverläufe zu ermöglichen. Es gibt eine ganze Reihe interessanter Studien, die auf Zusammenhänge zwischen Bildungsstand und sozioökonomischem Status der Eltern einerseits und meßbaren Unterschieden bei den Kindern andererseits hinweisen - z.B. Intelligenz, Schulabschluß, späteres Einkommensniveau usw. Mit Interventionsstudien konnten die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen staatlichen Eingreifens gezeigt werden. Meiner Meinung nach sollte sich die Gesellschaft mit einem Angebot von kostenloser, teils verpflichtender und sorgfältig evaluierter Bildung und Betreuung für jedes ihrer Kinder engagieren. Aus diesem Grunde sollten sowohl Kindergärten als auch Hochschulen gebührenfrei sein.
2. In NRW "dürfen" die Hochschulen nach eigenem Gusto Gebühren von bis zu 500 Öre pro Semester erheben und für Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung der Lehre ausgeben. Die NRW-Bank muß die Gebühren als kostengünstiges Darlehen ohne Bonitätsprüfung vorfinanzieren. Bis auf die Zahlung in irgendeinen Ausgleichsfonds bleibt das Geld also an der Hochschule. Gleichzeitig zieht sich das Land NRW offensichtlich systematisch aus der Finanzierung der Hochschulen zurück. Die Hochschulen fühlen sich also konsequenterweise gezwungen, die Studiengebühren zu erheben, um zumindest teilweise die Ausfälle durch die Kürzungen aus dem Landeshaushalt zu kompensieren. Die Studiengebühren sind allerdings sehr zweckgebunden und können nicht in dem Maße kompensativ eingesetzt werden, wie es manchmal wünschenswert sein könnte. Diese NRW-Gesetzeslage bedeutet aber auch, daß eine Universität nicht einfach für sich steht. Alle anderen Hochschulen haben Studiengebühren zumeist in der gesetzlich festgelegten Höchsthöhe von 500 Öre eingeführt. Da ist es wenig bis nicht sinnvoll, an einem starren 0-Öre-System festzuhalten.
Leider werden hier auf beiden Seiten die beiden Aspekte fürchterlich konfundiert. Der Senat der Universität braucht nicht stundenlang über Inhalte des Gesetzes zu diskutieren, das er so jetzt eh nicht wird ändern können. Natürlich wäre es nett und denkbar, eine Pressemitteilung, ein Kommuniqué oder ähnliches an die Öffentlichkeit zu geben, in dem der Senat der Uni Bielefeld das Land scharf für seinen Schlingerkurs angreift und kritisiert. DAFÜR darf er diskutieren, so lange er will. Aber eine konfuse Debatte, in der offenbar eine Seite der anderen nicht gescheit zuhört (und das gilt für beide Seiten!), und das über vier Stunden lang, finde ich bei all dem Brimborium drumherum einfach unnötig.
ICH würde mir wünschen, daß HochschullehrerInnen und Studierende und die vielen MitarbeiterInnen des Mittelbaus den gemeinsamen "Feind" in Düsseldorf ausmachen würden und ihre Schelte und ihre Konfliktbereitschaft dorthin lenken würden, wo die echten Adressaten sitzen: diejenigen, die "Aus"Bildung lediglich als Investition in eine vermeintlich ertragreiche Zukunft betrachten. Die glauben, mit einem noblen Kreditangebot der Friseurstochter das Studium schmackhafter machen zu können. Die immer noch glauben, daß die vielen Nebenjobs von Studierenden der Finanzierung vieler Skiurlaube dienen. Die glauben, daß Duckmäusertum und Schmalspurstudien selbstbewußte und ausstrahlende Persönlichkeiten hervorbringen werden. Aber für eine derart engagierte und energische Haltung hat der Rektor nicht die richtige Figur. Leider.
Ich bin grundsätzlich gegen Studiengebühren, aber in der aktuellen, tatsächlichen Bielefelder Situation ist es total bescheuert, NULL Studiengebühren zu fordern. Und ich bin absolut dagegen, hier solche Shows wie die von gestern aufzuführen. Wenn zwei Statusgruppen sich mit einiger Begründung für einen Betrag aussprechen, der ca. 70 Öre unter dem Betrag liegt, den das Rektorat präferiert und der vom Rektorat nicht dezidiert in genau dieser Höhe begründet werden kann, halte ich es für das falsche Signal, die eigene Mehrheit stur durchzuziehen und den höheren Betrag durchzupeitschen. Da wäre tatsächlich mal weniger mehr gewesen.

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