Samstag, 10. März 2007

397 km mit Stopover

250 Kilometer davon mit Intercity, 120 mit Regionalexpreß und den Rest mit der S-Bahn - viel abwechslungsreicher kann man wohl nur unterwegs sein, wenn man eine Passage auf dem Mittellandkanal dazubucht.
Aber wie immer geht das Abenteuer Bahn am heimischen Bahnhof los. In Bielefeld gibt es bauartbedingt mehrere Warteschlangen. Eine davon ist für Sofortreisende gedacht, was leider nicht bedeutet, daß es dort schneller geht. Verhältnisse unterhalb des Suboptimallevels. Schlimm, wenn man dann bei einem Spaßkeks das Ticket für die im Vorfeld selbständig erarbeitete Zugverbindung kaufen muß. Ich: Mit dem Leipziger IC bis Magdeburg und dann mit Regionalexpreß nach Potsdam-Charlottenhof, bitte. Bahncard 25. Er: Erste Klasse? Ich: Nein, Zweite. Er: Wie, wollen Sie nicht bequem reisen? Ich: Erstmal will ich überhaupt reisen. Das ist schon teuer genug.
Es gibt eine Menge wunderliche Dinge außerhalb meines Universitäts-Mikrokosmos: Im Bord-Bistro, welches immerhin nicht mehr beraucht wird, bekomme ich für den Preis von exakt fünf Cafeten-Kaffees eine im Vergleich zu früher geschrumpfte Tasse mit einer undefinierbaren und ungenießbaren, ölig-dunklen Flüssigkeit ausgehändigt. Trübsinnig starre ich aus dem Fenster. Draußen schiebt jemand eilig die Altmark vorbei. Man sieht sofort, daß man im Osten angekommen ist. Sogar an Wald und Feldern kann man es erkennen. Der Westen ist wie eine mit Möbeln vollgestellte, gleichwohl aufgeräumte Wohnung. Im Osten steht zwar wesentlich weniger herum, aber nicht rechtwinklig ausgerichtet, nicht ordentlich gesaugt, keine Spitzendeckchen usw. Desweiteren ist wiedermal dieses Reservierungssystem ausgefallen, so daß man sich auf einen vermeintlich freien Sitz setzen kann, bis ein tatsächlicher Sitzinhaber daherkommt und den Sitz begehrt. Das sorgt für Bewegung im Waggon und für unfreiwillige Zusatzkommunikation unter den Reisenden. Vorne sitzt eine Bande Herren, die sich die Fahrtzeit mit kleinen mitgebrachten Bierfäßchen verkürzen. Eine ähnliche Situation werde ich in einigen Stunden in der S-Bahn verfolgen dürfen, aber wer kann das jetzt schon ahnen?
Die Heimat versüßt mir die Ankunft mit einem ostwestfälischen Regenguß, der noch andauert. Bin das Schauspiel durch nahezu ganztägige Überdachung kaum mehr gewohnt - ein Tropfen, noch ein Tropfen usw. In Potsdam gab es anständiges, selbstgekochtes Abendessen und einen langen Blick in ein interessantes Buch namens "Verrückte Genies" oder "Genie und Wahnsinn" oder irgendwie so. Hitler hatte die meisten Seiten. Einstein stand gar nicht drin - wohl ein Genie, das nicht unter "Wahnsinn" fällt. Bei ca. 2/3 der Personen stand "Syphilis", "Selbstmord" oder "Manie und Größenwahn". Beim restlichen Drittel standen rein analytische Einschätzungen wie "nie überwundene Ödipussituation" und dergleichen.
In der S-Bahn dachte ich folgendes: 1. Sind hier die Türen schon immer so zugeknallt, oder bin ich vom Bielefelder Wir-machen-die-Tür-sanft-zu-Service einfach zu verwöhnt? 2. Oh, Freitagabend. Der/die Großstädter/in geht aus. 3. Der und die gehen nur im Rudel aus, und dessen männliche Mitglieder benetzen sich gern mit der männlichen Variante von 4711 und tragen eine Sonnenbrille. 4. Und setzen sich in das Abteil harmloser, wenngleich matter Mitreisender. 5. Was gibt es am Alex eigentlich für eine Disko, daß die da wieder aussteigen? 6. Wie oft kann man eigentlich Chromatey Dreamcoat hören, bis es einem zu den Ohren rauskommt?
Schlußendlich: Wie durch Zauberhand liegt der vor knapp einem Jahr erstandene Teppichboden im Flur dort, wo er hingehört: aufm Fußboden. Toll.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Im Gegensatz zu nicht-lieben Menschen neigen liebe Menschen, sich noch mehr zu lieben.

papa hat gesagt…

Na dann Willkommen daheim