Montag, 19. März 2007

Mal was ernstes

Zu später Stunde verdanke ich Johannes das bei ihm ebenfalls verlinkte Interview von spiegelonline mit Claus Peymann zum Thema RAF und Christian Klar und Rechtsstaat und Utopien. Zunächst habe ich so eine Déjà-vu-Erinnerung, als ob schon mal wer jemandem einen Praktikumsplatz angeboten habe, der eigentlich, nach Lynchjustiz usw., eher auf Knien hätte irgendwohin rutschen sollen, um dann doch nichts zu kriegen, aber daran kann ich mich grad nicht erinnern. Wer das wissen will, soll es halt googeln. Früher sagte man immer, guck ins Lexikon! Heute googelt man. Leider mit ähnlichem Erfolg. Aber ich schweife ab.
Claus Peymanns Aussagen erfrischen mich schon allein dadurch, daß sie nicht an einer wo-auch-immer-verlaufenden p.c.-Linie orientiert sind. Aber nicht der schöne Satz, daß das folgerichtige Scheitern der kommunistischen Diktaturen keine Legitimation der Diktatur des Kapitals bedeuten würde, hat mich so beeindruckt. Sondern daß man mal was originelles hört zum Thema Klar. Daß man nach jahrelanger Isolation möglicherweise verquere Worte findet und merkwürdig formuliert. Daß es eine Zeit gab, in der man sich entscheiden mußte - und sehr wenige Menschen haben sich für den gewalttätigen, terroristischen Weg entschieden und dabei allerlei Schaden angerichtet, worauf sie höchstwahrscheinlich selbst nicht besonders stolz drauf sind - allein schon, weil es so offenkundig ganz erfolglos war. Das nimmt man ihnen vielleicht so besonders übel - daß sie nicht mal was erreicht haben. Und daher freue ich mich über diese Sätze von Claus Peymann: "War die französische Revolution eine Anmaßung? Ist politische Utopie Anmaßung? Ist der Kampf für eine bessere Welt Anmaßung? Für ihren Lebensirrtum haben diese Menschen jedenfalls entweder mit ihrem Tod - oder mit einer sehr, sehr langen Gefängnisstrafe bezahlt."
1995 bin ich mal im Rahmen einer längeren Zugreise in Bad Kleinen vorbeigekommen. Die groteske Selbstmordung von Wolfgang Grams lag gerade zwei Jahre zurück. Dieser popelige Mecklenburger Bahnhof lag einsam und verlassen da, unschuldig, alt, wie vergessen - und doch hatte sich hier eine der entscheidenden Szenen der neunziger Jahre abgespielt. Absolut unvorstellbar, daß sich so etwas wie eine GSG9 - Einheit überhaupt hierher hatte verirren können.
Die Französische Revolution - heute gilt sie als Mutter der europäischen Demokratie. War sie damals vielleicht anmaßend? Haben die RAF-Terroristen Fehler gemacht, und haben sie nach geltendem Recht im Gefängnis für die Folgen gebüßt?
Ich will jetzt nicht den Eindruck erwecken, als würde ich das alles auf die leichte Schulter nehmen. Eher würde ich sagen, grad wenn Christian Klar öffentlich verkündet, den Kampf fortzusetzen, dann sollte man ihn endlich begnadigen. Für die Entwicklung gewisser Demokratiestrukturen waren die RAF-Aktivitäten ja ohnehin eher hilfreich.

1 Kommentar:

niesen hat gesagt…

Ich wäre gegen eine Begnadigung; einzig und allein aus prinzipiellen Erwägungen; nichts mit "der hat noch nicht ernsthaft 'tschuldigung gesagt" oder so. Ich sehe keine juristische Grundlage. Schade für ihn, geht aber nicht anders. Schleyer war zum Zeitpunkt seiner Entführung der direkte Vorgesetzte meines Vaters. Was die RAF angeht, habe ich Schwierigkeiten, sympathiegetränkte Sichtweisen zu unterstützen.

Übrigens: Die erste Generation war eine ganz andere Liga - intellektuell. Klar war einer der Köppe der zweiten. Kein Argument gegen eine Begnadigung, aber.